Pop Basel – das erste Buch zu 50 Jahren Pop- und Subkultur Basel
Seit 15 Jahren gibt es den RFV Basel. Er hat sich mit seiner Arbeit ganz der Förderung der Popmusik in der Region Basel verschrieben. Was vor der Gründung des RFV im Jahre 1994 in Basel in Sachen Popkultur passiert ist, zeigt das Buch «Pop Basel - Musik und Subkultur» von Marc Krebs auf eindrückliche Weise.
Lisa Mathys
50 Jahre Basler Popkultur umfasst das Buch (und die dazugehörige CD) von Marc Krebs und Andreas Schneitter. «Pop Basel» ist im November 2009 im Christoph Merian Verlag Basel erschienen und wird vom RFV herausgegeben. Erstmals vorgestellt wird das Buch an der Verleihung des Basler Pop-Preises am 11. November 2009 in Basel.
Der RFV hat sich mit dem Autor Marc Krebs über das Werk unterhalten. Das Gespräch führte Lisa Mathys.
Lisa Mathys (LM): Pünktlich zum 15-Jahr-Jubiläum des RFV Basel erscheint Dein Buch «Pop Basel – Musik und Subkultur». Du nennst das Buch liebevoll «Dein Baby», hast Dir für das Projekt aber auch einen Co-Autoren (Andreas Schneitter) an Bord geholt. Wie ist das Projekt überhaupt entstanden?
Marc Krebs (MK): Ich hatte die Idee, dieses Buch zu schreiben, schon länger mit mir herumgetragen. Als ich den RFV-Leuten vor rund einem Jahr davon erzählte, waren sie begeistert und bestärkten mich darin, das Projekt umzusetzen. Der RFV wünschte sich, dass das Buch noch im RFV-Jubiläumsjahr 2009 erscheine. Nun, ein Jahr Vorlaufzeit ist relativ wenig für ein so umfassendes Buchprojekt – allein der Recherche-Aufwand war sehr gross. Als Beispiel: nur schon zur Aufarbeitung des HipHop-Kapitels wurden rund 20 Interviews geführt. In den Zeitungsarchiven findet man zudem nur sehr wenig über die früheren Jahre der Populärmusik in Basel. Für mich und das Projekt war es deswegen sehr gut, dass ich einen Teil der Arbeit an Andreas Schneitter abgeben konnte. Zum einen weiss er über gewisse Szenen besser Bescheid, zum anderen war die zweite Meinung wichtig. So kam es zu der Zusammenarbeit, auch wenn das Buch wie gesagt «mein Baby» ist.
LM: Du sprichst die mageren Zeitungsarchive an. Wieso findet man so wenig über die verschiedenen Szenen und Bewegungen im Bereich der Basler Populärmusik?
MK: Die Zeitungen von damals schrieben kaum zu den Themen, weil man sich nicht auf die Seite der Jugendlichen schlagen wollte – zum Beispiel Anfang der 80er Jahre, als es fast im Wochentakt grosse Demonstrationen auf dem Barfüsserplatz in Basel gab. Ich fand also nur wenig Material und so musste ich zu den Leuten, die damals dabei waren, gehen.
... sonst ist es zu spät
LM: Wieso macht es Sinn, die Basler Pop-Geschichte genau jetzt aufzuarbeiten?
MK: Es war einfach höchste Zeit! Vor vier Jahren führte ich ein Interview mit dem Sänger der Dynamites, mit Robert Wittner. Die Dynamites waren die erste Schweizer Rock’n’Roll-Band, die es in die Charts schaffte. Robert Wittner sagte mir damals, er sei gesundheitlich angeschlagen. Schlagartig wurde mir bewusst: Ich muss das Buch jetzt machen! Das ist die Generation, die die Pop-Kultur in Basel initiiert hat – und mit diesen Leuten musst du jetzt reden, sonst ist es zu spät Schliesslich sind schon jetzt ein paar von ihnen leider nicht mehr da. Und: Zur Basler Szene gab es noch kein umfassendes Buch, obwohl es hier sehr lebendige Bewegungen und Szenen gab - und noch gibt.
LM: Du hast es angesprochen: Mit ein paar der Protagonisten konntest Du nicht mehr reden, weil sie verstorben sind. Welchen Interviewpartner hast Du besonders vermisst?
MK: Einer der grossen Abwesenden ist Dominique Alioth – der Kopf der Wondertoys. Ich hatte ihn nur einmal persönlich getroffen und deshalb nur ein sehr oberflächliches Bild von ihm. Deshalb habe ich mit vielen Leuten, die ihn persönlicher kannten, über ihn geredet und so versucht herauszufinden, wer er war und was ihn angetrieben hat. Gefehlt hat auch Rolf Antener. Er sang bei den Sauterelles den ersten Schweizer Nummer 1-Hit «Heavenly Club». Zuvor war Rolf Antener mit den Basler Dynamites gross geworden und ist dann nach Zürich zu den Sauterelles gestossen, weil er Profimusiker bleiben wollte. Auch er hätte sicher viel zu erzählen gehabt ...
LM: Als Musikjournalist arbeitest Du tagtäglich mit der Materie Popmusik. Enthält das Buch «Pop Basel» nun einfach all das, was Du sowieso schon gewusst hast oder hast Du bei der Arbeit an diesem Buch neue Erkenntnisse gewonnen?
MK: Ganz ehrlich: Ich habe selber gestaunt, wie viel Neues ich erfahren habe. Natürlich wusste ich zum Beispiel, dass der Rapper Black Tiger (mit P-27) quasi den ersten Mundart-Rap geschrieben hat. Aber dass fast alle Basler HipHopper ursprünglich als Sprayer angefangen hatten, das war mir neu. Und ich habe viele rührende Anekdoten erfahren. Cla Nett von der Lazy Poker Blues Band erzählte mir zum Beispiel, dass die Bandmitglieder selbst zu in ihren erfolgreichsten Zeiten nicht hätten ohne ihre Frauen überleben können: Die Frauen der Musiker waren es, die die Mieten bezahlten. Solche Geschichten haben mich natürlich euphorisiert, weiter am Buch zu arbeiten.
Was wäre Basel ohne seine HipHop-Szene!?
LM: Gab es neben den für Dich neuen Geschichten auch musikalische Neuentdeckungen?
MK: Weniger. Zum Buch gehört eine CD mit 19 Songs, das war von vorneherein so geplant. Deshalb habe ich mich schon früh damit auseinandergesetzt, welche die wichtigsten Songs und Bands der Basler Pop-Geschichte sind. Sehr viele dieser Songs kannte ich bereits aus dem Radio. Zum Teil habe ich aber – dank der Arbeit am Buch – alte Platten wieder ausgegraben, die ich lange nicht mehr gehört hatte. Für mich neu entdeckt habe ich die Basler Post-Punk-Szene. Leute, die wir heute aus anderen Bereichen kennen, haben in den 80er Jahren einige wichtige Post-Punk-Platten veröffentlicht. Doch für jüngere Leute von heute soll die CD-Compilation im Buch natürlich eine Fundgrube sein.
LM: Wenn Du jetzt das fertige Buch vor Dir hast: Gibt es ein Kapitel, mit dem Du besonders zufrieden bist?
MK: So ein Buchprojekt ist sehr ähnlich wie ein Platten-Projekt für eine Band. Es gibt sehr viele Parallelen: Man muss kämpfen, man muss sich durchbeissen, man möchte ab und zu alles hinschmeissen, man zerfleischt sich, man macht Nachtschichten und ist unzufrieden. Man streitet mit all den anderen Parteien, die auch ins Projekt einbezogen sind – das alles ist fast genauso wie mit einer Band eine Platte aufzunehmen. Irgendwann fehlt einem dann die Distanz zum Werk ... Aber: Ich hänge zum Beispiel sehr am Punk-Kapitel, wie auch am HipHop- und Electronica-Kapitel. Die Geschichte dieser Szenen ist in dieser Form tatsächlich noch nie erzählt worden.
LM: Gibt es rückblickend eine Zeitspanne, die für die Basler Pop-Szene am wichtigsten war?
MK: Es kommt sehr darauf an, wie man das beurteilt. In den 60er Jahren ist endlich mal was gelaufen! Plötzlich hat sich vieles in der Öffentlichkeit ereignet. In den 70er Jahren war die Szene dann wieder introvertierter, dafür musikalisch sehr wichtig. Die 70er-Szene brachte extrem viele Profimusiker hervor. Diese Szene wiederum wurde Ende der 70er von Punk überrollt, der für die Schaffung von Freiräumen sehr wichtig war ... Es ist ein fliessendes Wechselspiel zwischen den verschiedenen Szenen. Und mal ehrlich: Was wäre Basel ohne seine HipHop-Szene!?
In der Rockszene ist viel Drive drin
LM: In der Deutschschweiz kennt man aus Basel – neben den Lovebugs – vor allem die HipHop-Künstler. Ist Deiner Meinung nach HipHop heute noch immer die Szene, die am meisten Ausstrahlung hat?
MK: Im Moment ist es eher wieder der Rock. HipHop ist in einer Art Übergangsphase: Die arrivierten Protagonisten der Szene haben sich zum Teil eher etwas zurückgezogen. HipHop ist zurzeit eher introspektiv. Es kommen aber Junge nach, die diese Szene auch wieder antreiben werden. In den 90er Jahren aber war die HipHop-Szene in Basel und Baselland wirklich unschlagbar! Leute wie Black Tiger sind immer noch da, aber sie erreichen nicht ein gleich grosses Publikum wie etwa Bligg oder Stress. Ich denke, in den nächsten Jahren redet man im Zusammenhang mit Basel eher von Bands wie The bianca Story oder Navel. Wenn wir von Ausstrahlung reden, geht es ja auch darum, wer den Sprung ins Ausland schaffen kann. Navel haben in dieser Hinsicht schon sehr viel erreicht. In der Rockszene ist viel Drive drin im Moment.
LM: Was könnte die heutige Basler Szene tun, damit auch in 50 Jahren wieder jemand beschliesst: «Darüber muss ich ein Buch schreiben!»?
MK: Unbequem bleiben, unbedingt! Man darf sich nicht fügen. In den letzten paar Jahren hatte man vermehrt das Gefühl, dass sich die Leute mit den Gegebenheiten abfinden. Die Politik hat nicht nur Gutes getan für die Populärmusik. Zum Glück hat sich der RFV durchsetzen und etablieren können – er erhält ja seit einem Jahr auch mehr Geld für die Förderung der Szene. Aber es gibt wieder vermehrt Stimmen, die Ruhe fordern und keinen Lärm wollen in unserer Stadt. Früher hat man sich gegen solche Umstände vehementer gewehrt. Es müssen ja nicht unbedingt wieder Backsteine fliegen wie in den 80er Jahren, aber die Szene könnte sich durchaus wieder ein wenig aufwieglerisch geben, mit Originalität und Kreativität. Ja, man muss unbequem bleiben!
Marc Krebs und Andreas Schneitter: «Pop Basel – Musik und Subkultur»
288 Seiten + CD-Compilation, Christoph Merian Verlag Basel, Herausgeber: RFV Basel, 39 CHF.