Isnt – Nits: Ferien für immer!
Ein Wurf: Isnt – Nits ist eine Hommage an die holländische Band The Nits («The could have been bigger than the Beatles!» – sie wollten aber nicht). Die umfassende CD mit 51 Coversongs erscheint am 2. Mai 2014 und hat ihre Ursprünge in Basel. Doktor Fisch hat sie gehört – und gestaunt.
Doktor Fisch
Holländische Popmusik dringt nur selten in die Schweiz vor – umgekehrt sieht es noch düsterer aus. Wer aber in den späten 70ern und frühen 80ern schon ein Ohr Richtung Popmusik offen hatte, kam an einigen Namen nicht vorbei.
Holland – kein Pop-Land. Oder doch?
Golden Earring aus Den Haag hauten 1973 ihren Über-Hit «Radar Love» auf den Highway, wo er immer noch fährt und noch heute in mancher Provinzdisco die Tantiemen einspielt. Eine frühe New-Wave-Band waren Gruppo Sportivo, ebenfalls aus Den Haag, die auch in der Schweiz einige mitreissende Festivalshows spielte. Grosses Kino kam von Herman Brood aus Zwolle, und eckiges Punk-Kino von The Ex aus Amsterdam. Eine Band aber schuf Zeitloses, ohne dass der Mainstream davon zu fest verwirrt worden wäre: The Nits. Später dann nur noch: Nits.
The Nits waren und sind nicht irgendeine Pop-Band, die mal mehr oder weniger erfolgreich durchs Land und die Radiowellen getingelt ist. The Nits bauten ihren eigenen Kosmos aus Kunst, Sound, Ästhetik und Film. Dieser Kosmos war oft avantgardistisch aufgeladen, verspielt eklektizistisch, ironisch unschuldig, grafisch seltsam aufgemacht und manchmal sehr, sehr grossartig. Die Nits waren pophistorisch eher Talking Heads und nicht Abba, eher Tindersticks und nicht Tom Jones; Leonard Cohen, nicht Bob Dylan.
Kunst ist Kunst – Pop ist Pop
Die Nits: Unsterblich ihr Song «In The Dutch Mountains», episch ihr Song «Nescio», federleicht der Song «The Train», überspanisch schliesslich «Sketches Of Spain». Und nicht zu vergessen «Tutti Ragazzi» von 1978, eine lüpfige Proto-New-Wave-Nummer, die die klischierten Bilder der holländischen Touristen von ihrem Ferienland Italien entlarvt – und doch unheimlich Spass macht. Die Nits schickten die spröden, bleichen Europäer mit ihrem Sound in die Gratis-Ferien – und blieben selber zuhause. Kosmopoliten, die sie sind.
Man wurde nicht recht schlau aus dieser Band und ihrer Musik und ihren mysteriösen Lyrics – und liebte sie umso mehr, in den späten 80ern.
Es gibt mit Sicherheit mehr Menschen in Europa, die einen Nits-Hit kennen oder sogar mitsingen können, als Menschen, die den Bandnamen nennen können oder die Band Nits gar wirklich kennen. Egal. Kunst ist nun Mal Kunst – und Pop ist Pop ist Mainstream. Und Mainstream waren die Nits sicher nie. Sie foppten ihn nur und schufen so Grosses.
Drei Männer haben einen Traum und gute Gründe
40 Jahre sind es in diesem Jahr, seit Henk Hofstede und Rob Kloet mit zwei Kumpels in Amsterdam The Nits gegründet haben (später kam Robert Jan Stips von Golden Earring dazu). Drei Schweizer Nits-Aficinados und Freunde der holländischen Band nahmen die runde Zahl zum Anlass, ein Tribute-Album mit Coverversionen der Nits-Songs aufzunehmen. Eric Facon aus Basel, Beda Senn aus Zürich und Oli Hartung aus Bern (Bild) sind die drei Köpfe, auf denen die Nits (Nissen, von Kopfläusen, im Wortsinn) so lange rumgekrabbelt sind, bis nun pünktlich zum Jubiläum das Werk Isnt – Nits vorliegt.
Nicht nur auf einer CD, sondern – Drei Mann in einem Boot – auf gleich drei CDs. Eine Riesenarbeit der drei Nitsianer. Das Mammut-Projekt umfasst nun 51 Songs und ist am 2. Mai auf Faze Records erschienen. Wer jetzt grad keine Zeit zum Weiterlesen hat: kein Problem, Isnt – Nits einfach bestellen!
Für alle anderen, die Zeit haben, hier die Vorgeschichte. Entscheidend für die Verbundenheit der Nits mit Basel ist, dass die Band 1982 erstmals in die Stadt kam und sofort Erfolg hatte.
Ihr Schweizer Agent, so beschreiben die drei Isnt – Nits-Initiaten die jahrzehntelange Liason, leistete damals gute Arbeit und so kam es, «dass die erstaunten Holländer mehrmals (im damals legendären Club) Atlantis vor ausverkauften Rängen auftraten. So kam es auch, dass Basel ihre Lieblingsstadt in der Schweiz wurde.» Im Atlantis sassen etwa die Musiker Pink Pedrazzi, Hans Feigenwinter oder Fritz Hauser im Publikum, man lernte sich nach den Shows kennen und spezielle Beziehungen zu den Nits wuchsen. «Die Basler Band Rondeau wurde zu ihrem Opening Act, der Perkussionist Fritz Hauser und Rob Kloet von den Nits wurden Freunde und Partner bei unzähligen musikalischen Projekten.»
Die Weyers und die holländischen Berge
Zeitsprung zurück ins Jahr 2014: Die Uraufführung von Isnt – Nits findet am 3. Mai 2014 im Schauspielhaus Pfauen Zürich statt. Die Nits werden anwesend sein und mit ihnen über ein Dutzend der Musikerinnen und Musiker, die der holländischen Kultband auch auf der Triple-CD mit Coversongs huldigen. Ein Live-Projekt, das hoffentlich auch in Basel zur Aufführung kommen wird, an der Baloise Session oder so.
Im Kurzdurchlauf durch die 51 Songs auf Isnt – Nits fällt manches auf und manches etwas ab.
Einige Songs sind einfach nur enorm erfrischend. «In The Dutch Mountains» von der Zürcher Brüderband The Weyers etwa, die den Song in eine treibende Garage-Rock-Nummer umschreibt und den schönen Groove mitnimmt, raus aus den holländischen Backsteintälern. Oder «The Train» von der Band Hillbilly Moon Explosion, die eine angeknabberte, spacige Bluegrass-Version in den Hof vorfährt.
Sehr schön auch das retro-frische Cover der Genfer Band Charlotte Parfois von «Empty Room» oder die Beatbox-Dub-Version von «Sketches Of Spain» von Stella Cruz. Jazz-Pianist Hans Feigenwinter begleitet Nadja Stoller (Bild, mit Shirt) durch «Soap Bubble Box» und Pink Pedrazzi & Pflanzplätz geben «Panorama Man» in einer Gipsy-Polka-Version – ein echter Gassenhauer. Andrea Samborski taucht mit minimalen Mitteln «Fire In My Head» in warmes Lucht. Und Filewile aus Bern schliesslich pumpen im Down-Tempo-Beat den «Tannenbaum» in die Jetztzeit. Aus Basel sind auch Christoph Baumgartner (Baum, siehe Video unten), Elia Rediger (The Bianca Story), Fritz Hauser, Giacun Schmid feat. Anna Aaron und weitere Musiker mit Coversongs vertreten.
Über drei Stunden Musik
Erfreulicherweise sind sehr viele Musikerinnen auf dem Nits-Cover-Projekt mit dabei. Und ab und zu ist die Ehrfurcht vor dem kammerpopmusikalischen Werk der Nits vielleicht zu gross gewesen – und ab und zu fehlt der zündende Nits-Moment, etwa bei Heidy Happys «Nescio» oder beim patenten Büne Huber, der «Home Before Dark» etwas gar schwummrig-gemütlich ins Berndeutsche überführt. Ansichtssache – und egal: Das kann das Projekt Isnt – Nits locker verkraften, denn es werden über drei Stunden Musik aufgefahren und manches wird einem vielleicht erst später, in einem oder zwei Jahren wirklich auffallen und gefallen. So ist es ja auch mit der Musik der Nits; sie kam selten mit dem Vorschlaghammer durch den Haupteingang. Dafür bleibt sie dann etwas länger im Kopf. Das weiss man aber erst später.
Ja, die grossen Ferien ...
Zum Schluss der dritten CD heisst es aber wieder 1978, heisst es «Tutti Ragazzi», von der österreichischen Spinner-Combo Die Grossen Ferien. Und da klickt die eingerostete Hüfte wieder im heissen Sand am Strand des Bel Paese.
Apropos Italien: Die Swisslos-Lose «Win for Life» (4 000 CHF jeden Monat, 20 Jahre lang) heissen in Italien «Turista per sempre». Tourist für immer. – Das trifft das Feeling des zeitlosen Nits-Sounds doch sehr gut. Seit 40 Jahren und jetzt wieder mit diesem eindrücklichen Triple-Werk Isnt – Nits. Kaufen, einchecken, Abflug. – Danke.
Isnt – Nits
(Faze Records, Basel) ist am 2. Mai 2014 erschienen, unter anderem mit einem Beitrag des Projektfonds des RFV Basel.
Isnt – Nits: Die Macher
- Eric Facon: Produzent
- Beda Senn: Produzent
- Oli Hartung: Musikalische Gesamtleitung
- Darren Hayne: Leitung Ton und Technik
- u.v.m.