Navel – Songs Of Woe
Noisolution Records in Berlin veröffentlicht mit Songs Of Woe am 31.10.2014 bereits das dritte von bisher vier Navel-Alben. Und meint: «Navel sind mehr Band denn je. Jari Antti lenkt die Band und bestimmt die Richtung, wobei nun mit Massimo Tondini, Marco Naef und Jacob Laeser die richtigen Sidesmen gefunden wurden, die selber ihren Stempel aufdrücken, die Navel noch mehr zu einem Live-Erlebnis werden lassen.»
Navel im elften Jahr. Und die Band macht es den Kritikern und den Fans nicht einfach – muss sie auch nicht! Deshalb, wieder wie beim letzten Album Loverboy: Zwei Meinungen zu Songs Of Woe. Den Anfang macht Linus Volkmann, Köln, der Navel mit Freude als Albumband wieder auferstanden sieht.
Auf der anderen Seite unser Mann in Offenburg, Pascal Cames. Er nähert sich der Platte etwas anders, nämlich skeptisch über das einzig verbliebene Gründungsmitglied der 2003 in Erschwil-Laufental gegründeten Rockband, Jari Antti (Altermatt). Sein Fazit: «Lieber gross auffahren als klein beigeben: Navels neues Album rockt.»
Ein Album, zwei Meinungen. Viel Spass! Auf Facebook dann gerne eure Meinung.
Linus Volkmann, Pascal Cames
Das Erstaunlichste an einem vierten Navel-Album ist, dass es ein solches überhaupt gibt. Als die Band 2007 mit der ersten EP auf die Bildfläche tobte, war der Hype um sie fast genauso laut aufgedreht wie die Verzerrer der Gitarren. Atemlos, überdreht, einem Grunge-Revival zugeordnet, das es in der Form dann gar nicht gab, von stetigen Besetzungswechseln geschüttelt ... Man kann es nicht anders sagen, Navel hatten die Kerze einfach an drei Enden brennen.
Konzentriert und ungestüm
Doch spätestens mit dieser Platte, die auch labelmässig (die dritte bei dem Berliner Feinkostladen Noisolution) eine Kontinuität sichtbar werden lässt, muss man Navel endlich auch als Albumband begreifen. Die vier Jeans-Boys sind weit mehr als dieses grelle Phänomen, das jederzeit implodieren kann, dessen Zünder lauter tickt als das Metronom.
Songs Of Woe nennt sich dabei also der schlagende Beweis zu einer solchen Neu-Einschätzung – und zeigt die Band in 16:9 Breitwandrock. Alles wirkt hochaufgelöst, die vielen Details erzählen von konzentrierter Studioarbeit und dennoch hat man sich auch das Ungestüme, die Urgewalt bewahrt. Sie findet sich bloss – noch stärker als auf dem Vorgänger Loverboy – in ein Panaromabild eingefasst.
Plötzlich die Nähe zu Velvet Underground
Das ungebrochen juvenile Songwriting von Jari Antti feuert Flashbacks raus, die beispielsweise bei «Don’t Get Me Wrong« nach den Undertones klingen und beim titelgebenden «Tale Of Woe» sogar The-Who-Momente aufstellen, mein persönlicher Favorit ist dabei «Never», dem durchaus eine Nähe zu Velvet Underground bescheinigt werden darf.
Doch die fast rockklassische Aura der Stücke wird stets und lustvoll auch wieder zersägt. Denn das hier ist nicht The Walking Dead, das hier ist höchst lebendig. Ein Zustand, den man Navel 2014 so nicht wirklich zugetraut hätte. Tja, Totgesagte feiern besser – gibt ja auch einfach weniger zu verlieren.
Linus Volkmann
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Hunde, wollt ihr ewig rennen?
Jari Antti kann einfach nicht aufhören. Er hätte schon längst dazu Gelegenheit gehabt, denn in der Karriere der Basler Supergroup Navel gab es schon so viele Personalwechsel, dass man von einer richtig konstanten Band längst nicht mehr sprechen konnte (und doch waren Navel konstant europaweit auf Tournee).
Nichts desto trotz zauberte der Chef immer wieder neue Bassisten und Schlagzeuger aus dem Hut. Auch das Vorgängeralbum Loverboy wäre ein guter Grund für ein «Danke, Tschüss» gewesen, immerhin war es brillant. Was sollte da noch kommen?
So leidet der Held
Statt von alten Zeiten (Texas! Queens Of The Stone Age! New York!) zu erzählen, geht Jari Antti das Risiko ein und mit fast dem gleichen Personal (ein neuer Schlagzeuger) an den Start. Er gibt ein paar dürre Takte zum besten und fährt dann im ersten Song einen majestätischen Sixties-Rock auf, breite Keyboards à la Move und Konsorten und grossartiges Gejammer. So rockt der einsame Rufer in der Wüste. So leidet ein Held, dessen Seele grad gegrillt wird.
Um was geht’s? Frauen, Liebe … Hier und im nächsten Song («The World Is On Fire») und weiter bis zum Tagtraum «I wanna be the king / 'cause your my acid queen» (in «My Everyhting»). In erster Linie ist Songs Of Woe eine deftige Schlachtplatte Rock. Es gibt von allem zu viel: Boogie, Blues, Blues-Rock und Rock'n'Roll. Und es ist zu laut.
Schaurig schön - zum Bersten gespannt
Wäre es damit getan, okay, aber die Ausnahmen in diesem Rockbrett sind astrein und geben dem Album das gewisse Etwas. «Never» könnte die Musik für einen Neo-Western geben, «Let Me Take You by My Side» ist eine Ballade. «Tale Of Woe» könnte man als den besten Song krönen, weil hier Jari Antti und Co. zur Kraftmeierei einen schaurig schönen Moment zwischen Folk und Groove auffahren – und dann auch wieder diesen eisenharten zum Bersten gespannten Rock zum Besten geben.
Warum also aufhören?
Pascal Cames
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Navel – Songs Of Woe
(Noisolution Records/Irascible) ist am 31. Oktober 2014 als CD, LP und digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit erschienen.