We Invented Paris – Rocket Spaceship Thing
Rocket Spaceship Thing, wörtlich übersetzt «Raketen Raumschiff Ding», hat das Schweizer Künstlerkollektiv We Invented Paris sein zweites Album getauft. Eben dieses im Weltall umher fliegende Etwas ist auch als Illustration auf dem Cover des Tonträgers abgebildet. Die seltsame Flugmaschine vereint dabei Teile eines Heissluftballons mit einer mächtigen Dampfmaschine, am Heck ist noch ein Segel angebracht und auf einer Art Balkon steht eine winzige Figur mit Zylinder und blickt durchs Fernrohr ins Unbekannte.
Die Technologie des 19. Jahrhunderts – aus Eisen, Holz und Leinen – verbindet sich in dieser Zeichnung zu einem utopischen Gefährt, zu einem Ort der Möglichkeiten hinter den Träumen. Was für ein schönes und überaus passendes Bild für die Band We Invented Paris.
Benjamin Walter
DIY und Crowdfunding im Netz
Wenn überhaupt irgendwo in der Welt, hat die Band ihre Basis in Basel bzw. Liestal, doch viel häufiger zieht es die Musiker hinaus in die Welt, zu ausgedehnten Touren zwischen grossen Festivals und winzigen No-Budget-CouchSurfing-Konzerten oder zur Studioarbeit in ein altes Schloss bei Dresden. Dabei verknüpft die Band klassische Do-It-Yourself-Tugenden mit den heutigen Möglichkeiten des Internets und sammelte das Geld für die Produktion ihres Albums mit Hilfe der Crowdfunding-Kampagne «Action Nouvelle» bei ihren Fans ein. 30 230 € steuerten 504 Aktionärinnen und Aktionäre so bei. Chapeau.
Und diese dürften mit dem Ergebnis glücklich sein und nun noch zahlreicher werden. Denn auch wenn sich das Künstlerkollektiv We Invented Paris mit dem Rocket Spaceship Thing einen ganz und gar autarken Raum geschaffen hat, in dem die Mitglieder ihre musikalischen Visionen Wirklichkeit werden lassen können, sperrt das Album auch keinen Zuhörer aus. Es ist nicht überdreht, schrill oder überkomplex, sondern ganz der klassischen Songwriterkunst verpflichtet, es ist sogar im besten Sinne so altmodisch wie ein Zeppelin oder einer Dampflok. Und jeder ist eingeladen, ein Stück des Weges mitzufahren.
(Wir unterbrechen kurz für einen Remix der WIP-Single «Mont Blanc» ...)
Pop als Aufbruchstimmung
( ... und sind wieder zurück mit Teil 2 der Bepsrechung):
Flavian Graber singt mit seinem wunderbar eleganten britischen Akzent von den Träumern und Visionären in dieser Welt, vom Zweifel und der Überwindung der eignen Ängste, vom Reisen und fremden Orten. Es geht Graber dabei um Mut und um Möglichkeiten, aber nicht im Stil eines erfolgsorientierten Motivationstrainers, sondern als Erzähler fast klasssicher Abenteuergeschichten, in die es sich mit klopfendem Herzen hineinträumen lässt. Das ganze Album ist der Versuch das Wort «Aufbruchstimmung» in all seinen Facetten in Musik zu überführen.
Musikalisch sind die elf Songs dabei perfekt ausarrangiert, verlieren sich nie in Spielereien und sind fast mehr anspruchsvoller Pop als Folk. Die elektronischen Elemente verschmelzen immer organisch mit den Gitarren, mal klingt das melancholisch, dann wieder wie eine Hymne, oft in ein und demselben Song. Etwas mehr Interesse am Abseitigen, am Experiment oder generell an ästhetischen Brüchen hätte dem Album dabei vielleicht gut getan, aber man kann sich sicher sein, dass die Musiker auf dem Rocket Spaceship Thing alles genau so haben wollten, wie es nun ist.
We Invented Paris – Rocket Spaceship Thing
(Spectacular Spectacular Records/Irascible CH) erscheint am 14. Februar 2014 als CD, LP und digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit.