Amorph – Dreiundzwanzig: Von Geburt an mit dabei
Schon die EP Uhrwerk (2012) war ein elegantes Stück instrumentaler Musik von Amorph aus Basel. Nun gibts von der Band eine neue, als limitierte LP konzipierte EP, zu kaufen. Vinyl hören ohne Platte drehen, wir sind gespannt.
Doktor Fisch
Nenn es Post Rock im Geiste von Mogwai, Trans Am oder auch der regionalen Bands Last Vote (2002–2007) und Kitchen (2002-2011), die allesamt meist ohne Sängerin oder Sänger auskamen – und trotzdem nicht auf dem nächtlichen Dancefloor oder in der kammermusikalischen Sonntagsmatinée in der Kirche ihr musikalisches Leben verbringen mussten.
Nein, im Gegenteil: Post Rock, Shoegaze, Ambient, Surf oder Drone können gute ohne sprechfähigen Frontmann. Als Zuhörerin oder Zuschauer erhält man dafür eine demokratische Portion Musik geliefert, bei der niemand vorne an der Bühne rumfuchtelt und dummes Zeug redet («Basel, seid ihr im Haus?!», «put your hands in the air!», «I dedicate this song to my dog», «fuck you!» etc.).
Präzise Arbeit
Amorphs instrumentale Musik im Geiste des Post Rocks konzentriert sich auf das Ticken des Sounds und nicht auf Slogans und Refrains. Man hört instrumentale Miniaturen und Figuren, die sich im Laufe des Tracks (eben nicht Songs) entwickeln, steigern, um sich schlagen, fast einschlafen oder auch mal nur die Monotonie zelebrieren. Man ist also quasi von Geburt an mit dabei. Die Genre-Vorzeigeband Tortoise fand damals auf ihrem Album eine schöne Formel, im übertragenen und mystischen und gar verschwörungstheoretischen Sinne: Millions Now Living Will Never Die. Oder: Der Sound kommt nie nach Hause.
Diese ambiente Form des Post Rocks von Amorph ist hochkonzentrierte, präzise Arbeit, die vom Hörer zwei Ohren und ein Hirn erfordert aber keine Pillen. Die Musik erzeugt Bilder, die Bilder setzen sich zur Reise zusammen. Man ist also ein Reisender ohne Übergepäck. Gut so. Die Musik ist Hauptsache, ohne dass sie introspektiv zu erstarren drohte. Dafür hat die fünfköpfige Band, die mit der EP Dreiundzwanzig einmal mehr auf sich aufmerksam macht, genug an ihrem Werk herumgefeilt.
Cinéastische Gelassenheit
Dreiundzwanzig dauert dreiundzwanzig Minuten, 1 Track. Das sind acht Minuten weniger als Some Ditty, A Mountain II (ebenfalls 1 Track) der Basler Band Combineharvester. Aber vergleichen kann man die beiden Werke nicht, denn Amorph begleitet auf ihrem 23-Minuten-Trip eine gewisse dandyeske Melancholie, während Combineharvester die Drone-Dröhnung rollen liess.
Amorphs gepflegte Melancholie zeigt den instrumentalen Sounds weniger die Flucht nach vorne, sondern verleiht ihnen Tiefe im Sein. Eine meditative Ruhe auf der Reise, eine cinéastische Gelassenheit, aus der dann nach 16:30 Minuten im Track wieder ein neuer Morgen entsteht.
Der Sound kriegt mehr Körper
Mit Amorph kann man also gut ins Bett gehen, träumen, und am Morgen wieder aufstehen. Rundum erneuert begleitet einen die Musik weiter, beim sich Strecken, Anziehen, Kaffee trinken. Blick zurück ins zerzauste Bett, Blick aus dem Finster, hallo Welt. Und ab 18:30 tanzen dann die Breakbeats.
«Amorph steht für die Spannweite zwischen den sich entgegen gesetzten Polen: zwischen Nachdenken und kopflosem Vorpreschen», sagt Marlon McNeill zur Musik von Amorph (Marlon ist wiederum der Typ von Combineharvester, siehe oben). Ja, das ist so. Schön zu beobachten auch im Live-Video, das an der Plattentaufe von Amorph im Hinterhof Basel aufgezeichnet wurde. Natürlich könnte man Amorphs Musik auch rein digital am Bildschirm einspielen, aber von performenden Menschen gespielt geschieht dann eben das: Der Sound kriegt mehr Körper. Hat er ja verdient.
Sieben Jahre sind seit dem ersten Konzert von Amorph vergangen und einige Stationen liegen auf dem Weg der Band (2. am Sprungbrett Bandcontest, JKF, Firewire, Festivals, Clubkonzerte etc.). Am BScene Clubfestival 2015 in Basel sehen die Fünf nun auf der grossen Bühne der Kaserne und gespannt muss man eigentlich nicht sein. Sondern eher in Vorfreude ausgeruht hingehen.
An der BScene gibts dann auch die als limitierte LP konzipierte EP Dreiundzwanzig zu kaufen (schönes Artwork von Noé Herrmann & Joel Périat). Speziell an der LP: Musik gibts nur auf Seite A. Seite B bleibt leer.
Digital ist besser. Aber Analog ist wahrer. Und hat mehr Platz für Eleganz. Amorph sind der Beweis.
Amorph – Dreiundzwanzig
(Wunschkind Kultur) ist am 1. November 2014 als Vinyl-LP und digital erschienen. Erhältlich auf Bandcamp und iTunes & Co.