La Nefera – A Lo Hecho Pecho: Worte wie Pfeile
A Lo Hecho Pecho ist Ende Oktober 2016 als 16 Tracks starkes Solo-Debüt der Basler Rapperin erschienen – die CD-Lieferung ist pünktlich zur Plattentaufe in Basel eingetroffen.
Doktor Fisch
Ach, die Zeiten sind leider vorbei, in denen klobige Golddukaten oder untertellergrosse Gold-Pesos die Hand wechselten, für ganz besonders teure Waren oder komplizierte Dienstleistungen. Heute hält man das Handy an die Supermarktkasse und schwupps! Waschmittel, Bier, Sojamilch und Bio-Kiwis sind bezahlt und von der ungedeckten Kreditkarte abgebucht. Touch-free, amigos! So läuft die Welt. Geld ist unsichtbar und kann sogar fliegen, ach was: beamen! Vordergründig ist diese schöne neue Welt natürlich einfach, schnell und bequem – im Hintergrund aber total undurchsichtig, unfassbar, mysteriös, und vermutlich komplett gefährlich. Für uns.
Auf dem Albumcover von La Neferas Debutalbum A Lo Hecho Pecho prangt dieser prächtige Gold-Peso mit dem Antlitz der Basler Rapperin im Halbprofil. Nachempfunden ist dies der berühmten, charismatischen Büste der Nofretete (in einer anderen Schreibweise: Nefertiti) aus dem alten Ägypten. Das ist Absicht: La Nefera hat ihren Künstlernamen bei Nefertiti entlehnt, und wenn Nefertiti etwa so viel heisst wie «Die Schöne ist hier», dann passt das perfekt. Allein für das Cover müssen wir diese Platte kaufen. Von mir aus auch bargeldlos bezahlen. Besser aber cash. Kostet 15 Neferas.
Como una flecha – wie ein Pfeil
A Lo Hecho Pecho ist Ende Oktober 2016 als 16 Tracks starkes Solo-Debut von La Nefera erschienen (Empire Music, Basel) und nun sind auch pünktlich zur Plattentaufe die CDs in Basel eingetroffen. Los geht die Goldmünze mit dem Titeltrack «A Lo Hecho Pecho» (was passiert ist, ist passiert oder auch: Wer A sagt, muss auch B sagen), dick mit der Bassdrum vorwärtsgepumpt (Beat, Produktion: Jakebeatz). La Nefera rappt nach vorne, jede Silbe atemlos getaktet, mit der oft sonoren, manchmal geschmeidig-rotzigen, unmissverständlichen Ansage des Flygirls. Street also, kein RnB-Geheuchel, kein hybrides Geblubber, kein Reggaeton-Gefiepse oder Dubstep-Gehalle. Sondern: como una flecha – wie ein Pfeil.
Die Sprache ist Spanisch, aber nicht das europäisch-harte, sondern das karibische Spanisch, mit dem rollenden R, dem gehauchten statt stummen H, und dem Y, das nicht als J gesprochen wird, sondern als «dsch». Denn Jennifer Perez a.k.a. La Nefera ist vor 28 Jahren in der Karibik geboren worden, in der Dominikanischen Republik. Aufgewachsen ist sie in Basel und meist dort anzutreffen, wo HipHop, Latin und Reggae abgeht.
Knallige, schnelle Tracks, nachdenkliche Ballade
Etwas zuckriger und hymnisch kommt der Song «Odio» (Hass) daher (Beat: Sharp de Bräzl), bei «Soy Nefera» (Ich bin Nefera) kratzt eine uralte Schallplatte vor sich hin, bevor der Beat und La Nefera loslegen. «Mi Camino» (Mein Weg) und «Me Lo Buco Yo» mit der Mariachi-Trompete sind mit 2:30 Minuten kurze, knallige Tracks für die Strasse und – hallo Karibik! – für den Strand.
Etwas chaotisch werden die Beats und Samples in «Ven Como Caen» oder «Tu Condena». «No Volvere» (Kein Zurück) beginnt bluesig, «Hablen Lo Que Quieran» (Sagt doch, was ihr wollt) protzt plötzlich mit Metal-Gitarrenriffs und so vielfältig die Sounds auch arrangiert sind, sie konkurrieren doch unnötig mit den Rhymes. Im Song «Tu Y Yo» (Du und ich) nimmt La Nefera das Tempo raus und zeigt die nachdenkliche, verletzliche Kammer ihres Herzens. Ein schöner Song, der als warme, wunderbare Ballade, als Liebeslied, nachhallt.
Ohne Klischees, direkt und packend
La Nefera ist eine selbstbewusste, feministisch gepolte, aber nie derbe Rapperin. Weder durchgestylt wie Azealia Banks & Co., noch abgründig angry wie Angel Haze. Selbst wenn die Latina uns den Stinkefinger zeigt, hat das massiv Charme und Style. Ihre Themen sind – man verzeihe mir die mangelnden Spanischkenntnisse, doch das Album funktioniert auch ohne Spanisch-Deutsch-Wörterbuch – sozialkritisch, gesellschaftskritisch, aus dem Leben gegriffen, direkt, unverkrampft. Kein Bling-Bling, keine Überhöhung irgendwelcher Klischees. In einem Wort: packend. Vielleicht zwei, drei Songs zu lang, ausser wir nehmen uns die Zeit.
La Nefera, Mitbegründerin der Basler Female-Rap-Combo Vybzebilder und auch beim Monstertrack «1 City 1 Song» mit dabei, hat uns eine Menge zu erzählen auf ihrem Solo-Debutalbum. Das einzige Feature auf A Lo Hecho Pecho kommt übrigens von der dominikanisch-spanischen Rapperin Arianna Puello (Video unten).
Aufgenommen hat La Nefera im Basler PW Studio, produziert hat sie selber, assistiert von Matt MDB Siegenthaler und den Beatschnitzern DJ Tron, Sharp de Bräzl, Pearlbeatz, Jakebeatz, Towitedits und siehe da: Meister Lampe.
La Nefera macht nun für die L.A.-Latin-Rapper Delinquent Habits zwei Support-Slots in der Schweiz, fliegt zwischendurch nach Barcelona, um für Prodigy von Mobb Deep die Mikrophone aufzuwärmen. So könnt es weitergehen.
Mir bleibt in dieser trüben Dezembernacht, mit Nebel vorm Fenster so dicht wie ein Wasserfall, nur die Hoffnung, dass dies erst der Anfang ist von La Neferas goldenem Weg. Schönes Land, schöne Stadt: Du hast so viele Talente, und hier ist ein ganz besonderes.
La Nefera – A Lo Hecho Pecho
(Empire Music) ist am 28. Oktober 2016 mit einem Beitrag des RegioSoundCredit des RFV Basel als CD und digital erschienen.