Rapreflex – Elf: So klingt gerappte Gegenwartskritik
Getauft ist es längst, Rapreflex’ zweite Tat. Gedauert hatte es allerdings eine Weile, bis das Album tatsächlich vorlag – nämlich ziemlich genau elf Jahre seit dem Debut Verbale Kinnhakke von 2004. Gedauert hat es auch, bis es nun endlich beim RFV Basel besprochen wird. Aber: Ende Zeitreise, legen wir los.
Noé Herrmann
Was ursprünglich bloss ein gemeinsamer Track werden sollte, entwickelte sich zu einem ganzen Album: Elf heisst das 15 Tracks schwere Werk der Basler HipHop-Crew Rapreflex: Aktuell besteht der Reflex aus den beiden Nordwest-Kids Krime und Sam (K.W.A.T.) sowie ihrem Bruder DJ Johny Holiday (Brandhärd).
Fast zwei Jahre hat es von der Idee bis zur Vollendung dieser Scheibe gedauert, die es seit Januar 2016 online und auf CD zu erwerben gibt. Zwei Jahre, die offenbar für den hohen Qualitätsanspruch der drei Hauptbeteiligten nötig waren.
Noch immer: Cash Rules Everything Around Me
Auf Elf zeigen sich die beiden technisch hochbegabten Wortschmiede und der DJ mit dem Moustache von ihrer besten Seite. Verarbeitet werden die eigene musikalische Vergangenheit, persönliche Ups & Downs sowie gesellschaftlich relevante Themen der Gegenwart und Zukunft. Holidays Beats bieten dabei den perfekten Nährboden für die Sujet-Vielfalt, die Rapper Krime und Sam meist in schwindelerregender Doubletime-Geschwindigkeit und charmant gerolltem Baselbieter-R abhandeln. Doch wie im legendären Stück «C.R.E.A.M.» des Wu Tang-Clans vor 23 Jahren, dreht sich auch heute und im TNW-Bereich noch sehr vieles nur um eines: Geld.
Geld wird auf dem Rapreflex-Album immer wieder und sehr differenziert als Metapher für viele Missstände in der Welt und in unserer unmittelbaren Umgebung benutzt. «Und während du dich beklagsch in dim Scheiss-Eifamiliehuus, wachse in andere Länder in eim Zimmer zwei Familie uf», heisst es in einer der Single-Auskopplungen «Nie zfriede» (Video siehe unten, Regie: Manuel Wiedemann), die sich die Armutsschere und die Unzufriedenheit vieler Menschen auch in der Schweiz vorknöpft.
Worte aus und gegen die Ohnmacht
Im Track «Batze mache», der die Ohnmacht des einzelnen Individuums im kapitalistischen System beschreibt, geht es ähnlich zu und her. Dort stellen Krime und Sam in der letzten Line ernüchtert fest: «... die Nötli sehn ich zwar bunt, aber für d Zuekunft sehn ich schwarz.»
Den Peak der Kritik an der Herrschaft des Geldes und der mehr und mehr hoffnungslos agierenden Gesellschaft der 99% finden wir aber in den Tracks «Maschine mit Motor» und «Willkomme im Dschungel» (feat. Levo Rimed), die diese Ohnmacht mit schleppendem Flow und trägem Beat auch in musikalischer Hinsicht sehr schön illustrieren.
Neben Gesellschafts-, Kapitalismus- und Systemkritik tummeln sich auf Elf auch andere Themen: «Get out the Cypher» zum Beispiel, wo Krime und Sam in guter, alter Battle-Rap-Manier zu verstehen geben, dass sie sich ihrer überdurchschnittlichen Rap Skills durchaus bewusst sind. Auch die Leidenschaft fürs Partymachen und Weed kommt nicht zu kurz, besonders im Track «Traum», der mit einem untypisch leichten Beat ein Bild der perfekten Rapreflex-Welt malt.
Der einzige Schwachpunkt auf dem Album – meiner Meinung nach – ist der Track «Zwiespalt». Hier scheitern die Rapper daran, Triolen-Rhymes in einen zu langsamen, technoiden Beat zu pressen. Die Hookline sollte wahrscheinlich ins Ohr gehen, erinnert aber eher an einen nicht ganz geglückten Freestyle.
Der Weg ist das Ziel
Elf ist – alles in allem – sicher eines der besten Basler HipHop-Alben seit langer Zeit. Die Zeit brauchte es auch, um die Tracks reifen zu lassen. Das hat sich ausgezahlt, denn Rapreflex schaffen mit offenem Visier mühelos den Spagat zwischen neuer und alter Schule, Conscious Rap und entspanntem Blunt-Rumreichen.
Ich persönlich fühle mich beim Hören von Elf wie in einem Paralleluniversum, wo ich zum ersten Mal das pompöse Sample des Holiday-Beats für «Dr Wäg isch s Ziel» (Brandhärd, 2002) höre und gleichzeitig mit beiden Beinen in der Gegenwart stehe.
Rapreflex – Elf
ist am 11. Januar 2016 erschienen und digital bei igroove und iTunes oder als CD im HipHop-Fachhandel erhältlich.