Schammasch – Triangle: Wir werden das Licht sein.

Reviews

Doktor Fisch sieht sich einer Herausforderung gegenüber, der er definitiv nicht gewachsen ist. Schammaschs drittem Werk. Kann man Schammasch überhaupt gewachsen sein? Oder folgt man dem Propheten einfach furchtlos auf dem Pfad zur postapokalyptischen Erleuchtung?

Album Review / RegioSoundCredit

Mit «Crepusculum» (lateinisch: Abend-/Dämmerung) startet die letzte Reise der Menschheit hinab in die totale Erlösung. Oder doch Vernichtung? Wiedergeburt? Triangle, der atemberaubende Dreifach-Opus der Basler Band Schammasch, ist ein Gesamtkunstwerk des Post Metals, das einen entweder konsterniert, völlig von Sinnen oder spirituell wiedergeboren zurücklässt. Was – um alles in der Hölle – machen Schammasch da? Spielen sie Gott? Töten sie Gott? Oder die Ewigkeit, für die Gott steht? Und welchen Gott? Alle?

schammasch-2015

Konzept-Post-Metal in Perfektion

In erster Linie: Triangle ist extrem durchdachter und überzeugender Konzept-Post-Metal, ein Kosmos aus schwarzen Bauteilen des Black Metal, Ambient, Doom, Avant und Death Metal. In zweiter Linie: Triangle ist eines der ambitioniertesten und ästhetischsten Metal-Alben der letzten 666 Monate. Triangle ist 100 Minuten Abgrund, Inferno, Läuterung, spirituelle Weisheit – und ein erster Blick in die Leere einer neuen Welt nach der Apokalypse. Als wir Licht geworden sind.

Schammasch – das rätselhafte Wesen des Lichtbringers
Veröffentlich hat dieses dritte Album von Schammasch wieder das kalifornische Metal Label Prosthetic Records, das kurz nach seiner Gründung 1998 u.a. die Band Lamb Of God unter Vertrag genommen hatte (heute wohl eine der Kult-Bands und Metal-Megaseller schlechthin).

Schammasch (Bild oben) selber erblickten das Licht der Welt um 2009. Der Bandname spielt auf Šamaš an, eine alte Gottheit, die in Mesopotamien als «Lichtbringer» verehrt wurde und als Sonnengott in der akkadischen bzw. der babylonischen Mythologie zentral war. Dies die Geschichte aus dem Alten Orient. Und hier die Fiktion: Im Buch «Das Necronomicon» des erdichteten Autors Abdul Alhazred (erschaffen als fiktive «Quelle» in H. P. Lovecrafts Kultbuch «Necronomicon») wird Schammasch und sein Kult detailliert beschrieben. Der Metal-Schammasch ist also durchaus auch Prophet einer neuen, geistigen oder metaphysischen Weltordnung. Damit agiert der Prophet komplett ausserhalb der realen Welt, wie wir sie jeden Tag mit Mühsal beladen durchschreiten. Er offenbart sich im Zwielicht, im diluculum. «Through death it will be / that our heart will be free» – Durch den Tod / wird unser Herz frei sein.

Schammasch – Triangle Vol. 1 (Cover)
Schammasch – Triangle Vol. 1 (Cover)

Im Geiste von Celtic Frost und Triptykon

Kopf der Band ist der hinter der Maske der totalen Anonymität verborgene Konzepter, Songschreiber, Texter, Sänger, Gitarrist, Multiinstrumentalist und Zeremonienmeister mit Künstlername C.S.R. Eine Ausnahmegestalt im Geiste eines Tom Gabriel Fischer von Celtic Frost und Triptykon (tatsächlich hatte Triptykon-Gitarrist V. Santura Schammaschs Album Contradiction produziert).

Triangle ist als Triple-CD in einer Erstauflage von 2 000 Exemplaren bereits durch die weltweiten Vertriebsvorbestellungen praktisch weg (2. Auflage folgt, der RFV verlost 2 CD-Sets); die Triple-LP ist in einer limitierten Auflage von 666 Exemplaren in die Läden gekommen. Triangle ist in drei Teile von je 33:31 Minuten unterteilt:

  • Album I:   The Process Of Dying
  • Album II:  Metaflesh
  • Album III: The Supernal Clear Light Of The Void

Es ist nicht gut, dass jedermann die Musik höre

Meine Kenntnisse der offiziellen und verborgenen / verbotenen Schriften der Bibel oder anderer heiliger Schriften oder Mantras, der lateinischen Sprache, des Zen Buddhismus’, der Apokalypse, der Schwarzen Messe und all der schwärmerischen und krypto-religiösen Neudenkungen der Erde/der Menschheit und ihrer Gottheiten sind sehr, sehr beschränkt. Doktor Fisch ist ein Ungläubiger. Aber kein Heide. Wer zum Beispiel die hyperrealistischen «Gesänge des Maldoror» des Comte de Lautréamonts kennt, kann erahnen, worauf man sich bei Schammaschs Triangle einlässt (minus den Sadismus von Maldoror. Und Schammasch ist zwar finster und kalt, aber nicht plump blutrünstig wie so viele Black-Metal-Bands). Um es umgedichtet mit Lautréamont zu sagen: «Es ist nicht gut, dass jedermann die folgende Musik höre; einige wenige nur werden diese bittere Frucht gefahrlos geniessen.»

Schammasch – Triangle Vol. 2 (Cover)
Schammasch – Triangle Vol. 2 (Cover)

Zu elitär für diese Welt?

Man soll sich hüten, allzu akademisch oder mythologiebeladen an Triangle herangehen zu wollen, denn dann sitzen wir an Pfingsten vor dem Jüngsten Gericht noch hier und decodieren das Werk und seine unzähligen Verweise und Zitate. Einen guten Reiseführer durch die Welt der drei Alben findet sich bei «Can this even be called Music?» (in englisch).

In diesem Sinne. Man ist begeistert und hypnotisiert von der Kraft, Klarheit und der Kälte dieses weltabgewandten Trips, aber – das passiert selten – absolut nicht in der Lage, eine angemessene Plattenbesprechung hinzubiegen. Falls das überhaupt jemand in Monatsfrist schafft. Ist Triangle also ein Werk, das zu elitär ist? Ein Slow Burner, der Zeit voraus? Ein weiterer finsterer Monolith, wie sie in der Kunst immer wieder zu materialisieren versucht werden?

Kann sein.

Wenn aber mitten im zweiten, ruhigeren Teil von Triangle im Track «Above The Stars Of God» plötzlich eine Pink-Floyd-Gitarre auftaucht, ist es einfach nur Schönheit in fucking music. Im dritten Teil dräunt die Soundlandschaft dann fast ohne Lyrics dem neuen Kosmos entgegen und wird pure Meditation in der Nachbarschaft zu Sunn O))) etwa – allerdings auf einem Hügel aus Knochen.

Schammasch – Triangle Vol. 3 (Cover)
Schammasch – Triangle Vol. 3 (Cover)

Der Fluch auf den Propheten

Zu oft bis immer wird der Prophet im eigenen Land ignoriert und das sollte Schammasch in einer gerechteren Welt eigentlich nicht passieren. Doch zum Glück ist der Prophet bei Prosthetic Records in den USA gut aufgehoben und sendet sein Manifest hinaus in die wachen Aussenposten der weltweit vernetzten Metallwelt. Als Konzeptkunst hat Triangle natürlich auch Schnittstellen zur zeitgenössischen Avantgarde-Kunstwelt, doch dort regiert im Moment ... lassen wir das. Zu gross denken wird bestraft in diesem Land.

«Wir sind nicht, was wir erschaffen»

Man bräuchte Zeit, viel Zeit und ein paar Nachhilfesemester, um Triangle gerecht zu werden. Hier sind keine weltfremden Irren am Werk, sondern Meister ihres Fachs. Das Triple-Album ist dermassen präzise und durchkonzipiert in Sachen Sound, Lyrics/Poetry, Artwork und Ästhetik, dass man besser schweigt. Und zuhört. Macht genau das, oder ihr seid verflucht für alle Zeiten. (Live in der Kaserne Basel beim Czar Of Crickets Festival haben Schammasch ihre Post-Metal-Messe über weite Strecken überzeugend auf der Bühne zelebriert, nur die instrumentalen Ambient-Parts blieben etwas dünn. Überhaupt sollte man sich eines der 30 Konzerte reinziehen, die Schammasch bald in ganz Europa bestreiten werden).

Bevor wir hier die Klappe halten noch dies, aus dem Englischen ohne Gewähr zitiert aus «Conclusion», der Schlusssequenz von Metaflesh, dem zweiten Teil von Triangle:

«Wir sind nicht, was wir erschaffen
Weder unsere Vergangenheit noch Zukunft
Wir sind nicht die Entscheidungen, die wir treffen
Wir sind nicht, woran wir glauben
Wir sind nicht der Geist, den wir in uns tragen
Sondern das Licht, das wir sein werden»

And now: Let the music speak the truth.

Schammasch – Triangle (Cover) © 2016
Schammasch – Triangle (Cover) © 2016

Schammasch – Triangle

(Prosthetic Records USA) ist am 29. April 2016 als Triple-CD, Triple-LP und digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit des RFV Basel erschienen. Erhältlich u.a. über den Schammasch Store, verschiedene Mailorder, Cede.ch, Bandcamp und im Plattengeschäft der Wahl.

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