Shilf – Revisted: Innen glitzern, aussen brausen oder: Das Manifest der Substanz
Das hätte man so nun doch nicht erwartet. Erhofft sehr wohl, aber nachdem sich Shilf für ihr letztes Album namens Walter eine Ewigkeit und zwei Wochen Zeit gelassen und danach noch einmal diskret, aber gross aufgespielt hatten, schien der Schlussvorhang gefallen.
Philippe Amrein
Doch hinter den Kulissen formierte sich die Basler Band, die zuvor bereits vom Sextett zum Quintett geschrumpft war, in gebotener Besonnenheit neu. Sängerin und Mitmusikerin Nadia Leonti wandte sich endgültig und exklusiv ihrer Solokarriere zu und liess das Kern-Team im Proberaum zurück. Was folgte, war Schweigen. Langes, ausdauerndes, unaufgeregtes Schweigen. Zu beweisen gab es für Shilf nichts mehr, denn mit ihren vier herausragenden Alben Star (1997), Me (2002), Out For Food (2004) und eben Walter (2011) hatte sich die Band – established 1994, wie der RFV Basel also – allen Respekt, den es in diesem Geschäft gibt, längst erspielt.
Dekonstruktivismus auf der analogen Werkbank
Eine Gesamtausgabe im Schmuckschuber mit Goldprägung? Ein postumes Live-Album? Eine Sammlung unveröffentlichter Preziosen? Das wären zweifellos Optionen gewesen (von denen Fans auch weiter unbeirrt träumen), aber statt der dokumentarischen folgt nun eine dekonstruktivistische Rückbesinnung. Für Revisited haben sich die vier verbliebenen Musiker aufgemacht auf eine Reise durch die eigene Vergangenheit. Dabei sind sie elf Songs aus dem Back-Katalog begegnet und haben diese noch einmal auf die Werkbank gelegt. Alles auseinandergeschraubt, Drähte gelöst, tote Lötstellen beseitigt, die Einzelteile gereinigt, ein Pfund weiterer Komponenten besorgt, die alten Baupläne hervorgeholt und das zerlegte Material zu elf neuen Stücken zusammengefügt.
Andere Männer schrauben in vergleichbarem Alter in ihren sauber hergerichteten Hobbyräumen und Garagen an Triton-Motorrädern und angejahrten Sportwagen aus Zuffenhausen herum. Aber das sind bloss ratlose Versuche der Lebenskrisenbewältigung. Hier hingegen entstehen aus dem Geist der Musik heraus postnostalgische Prototypen, die sich als äusserst fahrtauglich erweisen. Sie brausen selbstbewusst durch die Gegend, und ihre Karosserien glitzern eben nicht aussen, sondern innen.
Revisited bietet alles, was man sich zu erhoffen fast nicht mehr gewagt hat. Es ist das dräuende, ruppig orchestrierte Manifest einer Band, bei der immer reichlich vorhanden gewesen ist, was den meisten Bands schlichtweg fehlt. Wir nennen es Substanz.
Shilf – Revisited
(Satin Down Records/Irascible) ist am 29. Januar 2016 als CD, LP und digital erschienen.
Shilf 2016 sind: Martin Graf (dr, perc), Philip Gallati (bs), Daniel Herzig (git, org, Moog syn) und Lucas Mösch (voc, git, Farfisa org, Stylophone key).