Kush Karisma – BâlΩnce: Selbstreflexion und Kampfgeist
Vor Kurzem klebte er noch mit seinem Homeboy DJ Bazooka Punani-Bildchen in sein Punani-Heftchen und jetzt – nur wenige Monate nach Erscheinen ihrer EP Bruchbrothers – doppelt Basels wahrscheinlich bestaussehender MC mit seinem zweiten Solo-Album BâlΩnce nach. Kush Karisma präsentiert sich auf diesem 19 Tracks starken CH-Rap-Epos ungewohnt persönlich und in all seinen Facetten. Der Titel BâlΩnce in Kombination mit dem dazugehörenden Cover-Artwork, das Kush einmal in seriösem Anzug und einmal in Sturmmaske zeigt, lässt erahnen: Es geht um Gleichgewicht. Das Gleichgewicht, das es im Leben zu halten gilt, mit subtilem Wortwitz einverleibt mit der für Basler Rap unvermeidbaren Prise Lokalpatriotismus.
Noé Herrmann
«Härzlich will-K-K-komme-komme, diräkt us de K-K-Katakombe» heisst es ziemlich zu Beginn der Scheibe in der Banger-Nummer «KK», die meiner Meinung nach zu den besten Tracks gehört, die dieses Album zu bieten hat. Logisch eigentlich, bewegt er sich ja auch in Kush-Karisma-Spezialgebiet: dem eloquenten Repräsentieren seiner selbst, seiner Entourage und seiner Stadt. Eine Disziplin, die er seit über zehn Jahren mit seiner Crew K.W.A.T.leidenschaftlich pflegt und weiterentwickelt.
Mit «KK» steht also ein stabiler Einstieg, aber der ist keineswegs repräsentativ für das ganze Album. Auf Tracks wie «Läbenswäg 2.0», in dem er die Ups & Downs seiner persönlichen und beruflichen Laufbahn thematisiert; in «Träne», bei dem er unter anderem den Tod seines Vaters verarbeitet und «1325» (6), der die Anzahl Kilometer, die ihn und seine Freundin trennen, im Titel trägt, zeichnet Kush ein vielseitiges und auch durchaus verletzliches Bild von sich selbst.
Ein ernst zu nehmender Thug schwelgt eben nicht nur in stumpfsinnigem Eigenlob, sondern behandelt auch seine eigenen Probleme und Schwächen.
Der Schöne und das Biest
Dieses Kontrastspiel der persönlichen Extreme zieht sich thematisch dann eigentlich durch das ganze Album. Auf Tracks wie «#Digital Immigrants», «OTG» und «Spiegelbild» zerpflückt Kush gleichwohl sich selbst, als auch unsere Gesellschaft und vereint darin gekonnt gesunde Selbstreflexion und revolutionären Kampfgeist. Im Song «Clyde feat. Bonnie» zeigt er sich sogar von seiner verträumten Seite und erzählt uns die klassische Geschichte des Liebespaars, das sich gegen den Rest der Welt stellt.
Gut plazierte Feel-good- und Party-Tracks wie «Strossereflex» und «Flugmodus» lockern danach dieses eher nachdenklich stimmende Klima wieder auf, was das Album – trotz einer stattlichen Anzahl von 19 Tracks – sehr hörbar und dessen Autor Kush Karisma angenehm abwechslungsreich erscheinen lässt.
Aber ... dann wäre da leider noch dieser Track namens «Fraue», der auf eine für HipHop traurigerweise sehr typische Art und Weise Frauen pauschal als materialistische und ziemlich willenlose Objekte der Begierde dastehen lässt. Come on, Kush. Es ist 2017. – Oder ist der Track parodistisch gemeint?
Der Titeltrack «BâlΩnce» passt zu diesem Album also wie die Faust aufs Auge. Der breitschultrige Thug mit kahlrasiertem Schädel kollidiert mit dem kleinen delikaten Jungen in sich drin – eine kontrastreiche Sache. Die eigentlich sehr grosse und spannende Welt zwischen diesen zwei Extremen sucht man auf diesem Album aber – trotz enormer Vielfalt – leider etwas vergebens.
Vielfältig sind aber nicht nur die von Kush Karismas Texte, sondern auch die Musik. Die Beats auf stammen mehrheitlich aus der Küche des Basler Hitfabrikanten Jakebeatz (PW Records), sowie zum Teil von DJ Bazooka und Piment. Diese reichen vom fetten Kopfnickern über leise, fast schon poppige Einlagen, bis zu Dancehall, R'n'B und Trap. Musikalisch gesehen ist der Song «Puls vo dr Zytt», der zusammen mit Jasmin Albash (Canelle/The Richard Kingston Project) entstanden ist, am spannendsten (siehe unten).
Gerade diese Art von Tracks untermauern meine Meinung, dass Kollaborationen über die Genre-Grenzen hinweg einen grossen Mehrwert für ein Rap-Album generieren können. Solche Experimente sind im Rap-Game zwar gewagt, machen diese Scheibe aber – wenn ihr mich fragt – zur besten, die Kush Karisma je gemacht hat.
Kush Karisma – BâlΩnce
(NoHook, Kush Karisma) erscheint am 17. März 2017 als CD und digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit.