Stu – Atari Worx 2003 –2008 und Escape Return: Atari Works!
Funktioniert immer noch besser: Der Basler Atari-Altmeister Stu – «aufgewachsen in der Heimatstadt von LSD» – lädt zur persönlichen Chiptune-Werkschau ein. Tara Hill hat seine letzten zwei Releases durchgespult und schaut in die Steinzeit der Game-Sounds zurück.
Tara Hill
Was einst bahnbrechend und futuristisch anmutete, ist 30 Jahre später ein Ohrenschmaus, der nostalgisch stimmt: Chiptune heisst das Dings, das seit jeher irgendwo in den Grassroots-Gefilden des Electro zuhause ist, und in der ein Basler auch international ganz gross mitmischt: Er heisst Stu, und praktiziert die ganze melodiöse Bandbreite dieser auf technische Reduktion aber melodische Innovation basierenden Spielart elektronischer Musik, die alte Atari-Ware zu neuen Klanggebilden recycelt. Und gilt inzwischen als deren begnadeter Doyen.
Eine hochenergetische Angelegenheit also, bei der kein Auge trocken bleibt – und die auf der Zauberformel «Reduce to the Max» beruht. Denn es sind gerade die Hardware-Einschränkungen des Anfang der 80er Jahre erschienen Atari ST und seines internen Soundchips, welche die herzallerliebsten Bleeps und Fieps produzieren. Diese klingen immer ein bisschen verschroben, und schwanken zwischen absurder Fan-Bastelei und Komponisten-Genius. Kurz: eine Art Gameboy-Ästhetik auf Acid.
Senior Atari Teenage Riot
Zwischen seiner Zweitheimat, den Niederlanden, und seiner Homebase Basel pendelnd, überrascht Senior Atari Teenage Riot umtriebige grauhaarige Brillenträger mit dem bübischen Charme eines begnadeten Bastlers und dem Palmares eines alten Hasens dank seinem Gerätepark aus alter Analog-Atari-Ware immer wieder mit überraschend kongenialen, hitverdächtigen Releases.
«Als Teil der sogenannten Micromusic-Szene konzentriert er sich auf die Produktion seiner knusprigen handgefertigten Originalsounds, eingebettet in tanzbare Arrangements, anstatt den Stereotyp des Super-Mario-Soundtracks fortzusetzen», schreibt Stu (bürgerlich: Chistian Studach) selber passend über sich und seine Kunstwerke.
Diese werden ab Konserve stilecht in alten Liebhaberformaten 7inch und Kassette präsentiert, sind dank Bandcamp aber auch als digitale Files der Blogosphäre, d.h. dem weltweiten Hipster- und Nerd-Netzwerk zugänglich. Qualitativ hochwertige Sammlerstücke also, die in Kleinstauflagen vertrieben werden, und so augenzwinkernd den Nostalgiefaktor der jeweiligen Musik noch verstärken.
Im Bann der alten Bandmaschine
Zwei Releases zeigen dabei aktuell die Bandbreite sowie den Höhepunkt von Stus Bastel- und Schaffenskraft. Da wäre zunächst die Werkschau «Atari Worx 2003–2008», die liebevoll mit «Tapematic» (einer «qualitativ hochwertigen» Bandmaschine) in 50 Einzelstücken auf Kassette bannt, was Stu in seinen Hardwarejams so gekonnt programmiert und experimentiert hat.
Die formale Qualität, die Stilnerd-Augen zum Glitzern bringen wird, zeigt sich bereits beim Cover: Einem in graugrüner Clipart-Ästhetik erstellten Porträts, auf dem der alte Fuchs, der irgendwie immer schon Vorreiter dieser Subkultur war, bestens getroffen ist (Grafik: OTRO).
Auch inhaltlich überzeugt das an sich heterogene Assortiment dank seinem stets gleichbleibenden Fundament «Yamaha YM2149 Sound Chip im Atari ST» mit klanglicher Stringenz: Wie Werbejingles oder Computerspiel-Samples tragen die meist wenige Sekunden langen Arrangement dabei stets passend ironische Titel wie «Bombabazooka», «Pirate Showdown», «Stereoid» oder «Teknoid Bigbeat» – und beziehen sich damit auf die Gemeinsamkeiten von Science Fiction-Inhalt ihrer Vorbilder und der Szene-Vorliebe zum augenzwinkernden Zitat.
Stus Mini-Meisterwerke blieben (wie die alten Atari-Spiele) dabei gerne nachhaltig hängen, und brennen sich gerade wegen ihrer absurden Kürze und Klangkalauer-Qualität in die Gehörgänge ein.
Anspieltipps: Die selbsterklärenden Titel und Mini-Modellwerke «Singing Robot» (siehe unten) und «Scooter» (eine Verbindung der zweifelhaften Eurotrash-Grössen mit dem Botschauti-Charmen der dazu passenden Herbstmesse-Beschallung), welche das Gaudi passend betiteln.
Prädikat: Besonders erhaltenswert!
Flucht ins Endzeit-Abenteuer
Ganz anders als das retrospektive Hörvergnügen auf Kassette kommt die aktuelle 7inch Escape Return daher. Die beiden titelgebenden Tracks, die jeweils eine Seite der Vinyl-Single beanspruchen, wirken nicht nur aufgrund ihrer Länge (drei bzw. fünf Minuten), sondern auch aufgrund ihrer Eingängigkeit geradezu episch.
«Escape» (siehe unten) etwa könnte locker den Soundtrack zum Showdown oder Endkampf eines legendären Game-Abenteuers wie Zelda bilden. Ein Hit mit meisterhafter Melodie und Club-Anthem-tauglicher Beat-Programmation, der so hinreissend stimmig ist, dass er beinahe an den Chiptune-inspirierten EDM-Klassiker «Muranyi» von Pryda aka Eric Prydz erinnert (auch wenn Underground-Ikone Stu an diesem Vergleich garantiert keine Freude haben dürfte), sicher aber den absoluten Zenit von Stus Schaffen bildet.
«Return», die Antwort auf der B-Seite biept und brummelt dagegen in einem derart launigen Auf- und Ab daher, dass wir prompt an Wobbles aus Big Beats oder frühem Dubstep erinnert werden, und geht dabei so galant auf die Nerven, dass wir gerne die Nadel immer wieder auf Anfang setzen.
Mit seinem selbst-modifizierten Atari bewaffnet, erobert Stu so Jahrzehnte nach schmutzigen Keller-Raves und Szene-Bars nun also endlich auch die Herzen aktueller Hipster-Blogs. So schwärmt etwa The Unicorn Princess auf dem Insiderportal chiptuneswin.com über Stus neusten Release: «The release is so good that while I’m a good sharer, I would still want my friends to buy their own ’cause I don’t trust any of you to give it back, and I believe this artist deserves to be supported!»
Diesem Fazit schliessen wir uns gerne vorbehaltlos an – als unverbindliche Kaufempfehlung.
Stu – Escape Return
(Eigenverlag) ist am 24. Januar 2018 als Single mit einem Beitrag des RegioSoundCredit des RFV Basel erschienen.
Stu – Atari Worx 2003–2008
(Eigenverlag) ist am 26. Juli 2018 als Kassette mit einem Beitrag des RegioSoundCredit des RFV Basel erschienen.
Die Releases sind in limitierter Auflage erschienen und über Bandcamp erhältlich. Die RFV-Verlosung ist bereits abgeschlossen.
Links dazu in der Band-App von Stu gleich unten.
Stu live
08.12.18 Basel, Kaschemme, t.b.a.
Aktuelle Live-Daten auf der Website der Band.