Bleu Roi – Dark / Light: Dunkler Groove, heller Tanz

Reviews

Alle drei Jahre, immer im Herbst, öffnet die Basler Band Bleu Roi ihre Schatztruhe und legt uns einige geheimnisvoll funkelnde Songs vor die Türschwelle. Das neue Album der Band mit den zwei Geschwisterpaaren Jennifer & Imogen Jans und Axel & Stefan Rüst ist vor kurzem im Sommercasino Basel getauft worden. Der RFV verlost zwei LPs von Dark/Light und macht sich auf Spurensuche.

Album Review / RegioSoundCredit

Sieben ruhige bis unruhige Songs sind auf Dark/Light als loses Konzeptalbum versammelt, allesamt um die supertransparent-helle Stimme von Jennifer Jans herum gebaut, verteilt auf den zwei B-Seiten dieser LP: B_Dark und B_Light.

Anfangs war Bleu Roi noch das Soloprojekt der umtriebigen Basler Musikschaffenden, doch seit dem Album Inner Cities (Herbst 2016) treten Bleu Roi als vierköpfige Band in Erscheinung. Jennifer Jans ist aber immer noch der kreative Mittelpunkt der Band, die selten am Pop kratzt und sich viel Zeit und Raum für Klangminiaturen, Beats, verwunschene Resonanzräume und eben diese Lead-Stimme nimmt.

Einerseits klingt das leicht, andererseits manchmal – für reine Pophörer*innen – auch sperrig oder unterkühlt. Oder anders gesagt: Bleu Roi fordern von den Hörer*innen die volle Aufmerksamkeit. Keine leichte Aufgabe im nimmermüden Spotify-Stream.

Bleu Roi live Sommercasino Basel © Olivia Mortimer 2019
Bleu Roi live Sommercasino Basel © Olivia Mortimer 2019

Der Klang des Nordens im südlichen Sommer freigelassen

Aufgenommen worden ist Dark/Light in den Svenska Grammofonstudion in Gothenburg in Schweden, und von dort könnte die Band vom Soundverständnis her auch gut stammen. Oder aus Island, Schottland, jedenfalls eher aus dem Norden. Schweden als Recording Location scheint also nicht ganz zufällig gewählt. Die Leute dort oben verstehen was von Dunkelheit – und von hellen Klängen. Also von Black Metal einerseits und ABBA andererseits.

Das hat aber nichts mit Bleu Roi zu tun.
Ausser eben, dass Bleu Roi den Klang des Nordens einpacken und ihn dann im südlichen Sommer wieder freilassen – oder umgekehrt. Heraus kommt dann zum Beispiel «Crysanthemum» am Anfang des Albums. Der Song öffnet sich wie das weit aufgerissene Fenster in einen verwilderten Sommergarten hinaus, wie eine Einladung zum Barfusstanz über Gräsern, Blumen und Insekten. Also gar nicht so dark, wie die erste Seite der LP eigentlich heisst. Es stimmt schon, was Benjamin Walter vor drei Jahren an dieser Stelle über das letzte Album Inner Cities gesagt hat, nämlich, dass diese Musik irgendwo «zwischen Melancholie und Erhabenheit» spiele.

«Onomatopoetry» als letzter Song der Dark-Seite des Album besticht mit dunklem Groove des Moog-Synthesizers und einem schattenhaften Beat: Lautmalerisch, im besten Sinn des Wortes also. «In seiner Entstehung», so der Pressetext zum Videoclip, stehe der Song «eng in Verbindung mit gesellschaftlichen Themen wie Gleichstellung, Empowerment und Wachstum», thematisiere also auch Veränderung und Generationenwechsel. Er sei «ein Aufruf, Missstände in Gleichstellungsfragen nicht zu ignorieren, aufmerksam zu sein und zuzuhören.» Klingt erstmal unmusikalisch, löst sich aber schnell in Wohlklang auf. Dieser Song, der bleibt auch wirklich lange hängen in seiner faszinierend lockeren Balance zwischen Dream, Cool und True.

Bleu Roi © 2019
Bleu Roi © 2019

Und dann doch noch ein loser Vergleich mit London Grammar

«Summer Calls» ist ein fein wuselnder, träger Song, fast wie eine aus der Zeit gefallene Bootsfahrt in Ufernähe, mit Mücken, Schilf, Sonnenhut und Haaren im Wind. Bei Songs wie «Huntington Garden» oder «Illinois» wiederum fällt einem dann doch London Grammar als im Geiste lose verwandte Band ein, wobei – um bei der Bootsfahrt zu bleiben – Jennifer Jans’ (Bleu Roi) Stimme über der Wasseroberfläche tanzt, während Hannah Reids (London Grammar) dunkleres Timbre eher unter der Wasserlinie bleibt. Und natürlich sind London Grammar unangefochtene Meister*innen der totalen Reduktion auf Stimme und Instrument: Wo die britische Band oft hammerspartanisch arrangiert, mögen Bleu Roi jedoch das Verspielte, leicht Unrunde, Sirenenhafte und auch mal Jubilierende.

Am Ende kommt noch eine Stärke dieser intimen Band zum Tragen: Das Poetische der Lyrics nämlich, die oft eigentlich auch ohne Musik funktionieren. So steht die erste Strophe von «Front Yard», diesem warm vom Gegenlicht beleuchteten letzten Song der Platte, hier am Ende:

«So loving you is like the ocean tide
We form river deltas in open skies
Now I can see horizons
Through time»

Bleu Roi – Dark/Light (Cover)
Bleu Roi – Dark/Light (Cover)

Bleu Roi – Dark/Light

(PlusPlus Records / Irascible) ist am 25. Oktober 2019 mit einem Beitrag des RegioSoundCredit des RFV Basel als LP, CD und digital erschienen.

LP-Verlosung
Der RFV Basel verlost 2 LP von Bleu Roi. Teilnehmen: Mail den den RFV senden. Es wird keine Korrespondenz geführt.

Live
21.12.19 D-Berlin, Kantine am Berghain
22.12.19 D–Hamburg, Nochtwache

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