Neuhaus – Scapes & Spaces Volume 1: In die Ferne geht der Blick
Yves Neuhaus kennt man als E-Bassist der Basler Indie-Haudegen The Amber Unit und als Kontrabassist der frankophon reisenden Chanson-Band Mistral. Ein Nebenprojekt ist sein erstes instrumentales Solowerk mit Namen Neuhaus aber keineswegs; zulange werkelt Neuhaus schon mit Loops und alten Instrumenten. Sondern eher das Erdreich seiner musikalischen Wurzeln. Scapes & Spaces Volume 1 bezaubert und verzaubert ohne zu tricksen. Zu hören am Basler BScene Clubfestival 2019.
Doktor Fisch
Gleich zur Sache, denn bald ist Feierabend: Neuneinhalb Minuten verführt das erste Stück des Albums, «Badgers Walk». Schicht für Schicht baut Neuhaus den Track aus Percussion-Miniaturen und gezupften Kontrabass-Splittern, lässt dann einen Downtempo-Beat übernehmen, während die ebenso schöne wie traurige Violine die Melodie erzählt. Es ist ein wenig wie Heimkehren von der langen Wanderung, wenn sich «Badgers Walk» am Ende in seine Einzelteile auflöst und noch eine Weile wie Staubpartikel im stillen Zimmer herumschwirrt.
«Your Love» braucht eine einzige Bassfigur, um in der Landschaft zu schweben, knapp über dem Boden. Denn leicht und fröhlich ist dieses Stück nicht: Melancholie liegt in der Luft, Wehmut, die Abenddämmerung und der Hauch eben dieser Liebe, die vielleicht gar nicht mehr ist.
Ein Verweben von analogen und digitalen Klängen
Für das zehnminütige «Tanz der Pelerinen» in der Mitte des Albums hat Yves Neuhaus auch gleich die Bilder geliefert: Die Kamera des Videoclips (s. unten) zeigt meist in den Himmel, zu düsteren Wolkenformationen hinauf, einem grossen Vogel (Möwe vermutlich) folgend, an den Ufern eines Meeres entlang.
Der Song selber macht mächtig Tempo, irgendwo zwischen Bebop und Polka. «Tanz der Pelerinen» ist kein Schlechtwettersong und auch kein Road Song, sondern eher ein Drachenseglersong, ein Ritt in die Freiheit. Deshalb auch: Schwer vorstellbar, dass zu dieser herben, windumpeitschten Musik irgendwo eine blöde Drohne am Himmel rumsurrt. «Neuhaus’ Musik ist das Gegenteil von schnelllebig», schreibt der Maestro selber. Wie wahr.
Neuhaus’ Musik spielt also draussen in der Natur, in der Abgeschiedenheit, vielleicht mal in einer kargen Hütte auf dem Jurarücken oder an einer verregneten Küste. Kontrabass, Violine und Perkussion bringen das Volumen in die Musik, aber ohne Drumcomputer und elektronische Loops wäre Scapes & Spaces nicht dieses mehr als gelungene Verweben zweier musikalischer Welten: der analogen alten und der digitalen neuen.
Wer etwa die Musik von Mario Batkovic oder der grossen Eleni Karaindrou kennt, dem und der darf Neuhaus ohne Probleme empfohlen werden. (Obwohl Yves Neuhaus das exzentrische und muskulöse der Musik eines Mario Batkovic komplett abgeht.)
Neuhaus’ Musik hat etwas zutiefst ländliches, poetisches. Und natürlich ist sie ab und zu schwermütig bis zum Fussboden runter, ach was: in den Keller. Aber sie kommt immer wieder zurück, wieder rauf ins Licht, hallo Dämmerung. Und sie berührt auch. Immerhin diejenigen, die sich berühren lassen wollen von der Wahrhaftigkeit dieser fünf Episoden. In die Ferne geht der Blick, denn dort waren wir lange nicht mehr.
Neuhaus – Scapes & Spaces Volume 1
(Eigenverlag) ist am 5. Januar 2019 digital und als CD erschienen und direkt im Webshop erhältlich.
Plattentaufe
02.02.2019 Basel, BScene Festival, Heimat
Weitere Live-Daten auf der Website (siehe unten in der Band-App).
Yves Neuhaus bei The Amber Unit und Mistral.