Asbest – Cyanide: Mit Noise gegen die Ungerechtigkeit
Die laute und aufrüttelnde Gruppe aus Basel ist wieder da. Asbest demontieren mit ihrem zweiten Album «Cyanide» die falschen Ansichten und Wahrnehmungen, die in unserer Gesellschaft herrschen. Noise-Rock mit wichtigen Inhalten und lauten Sounds.
Michael Bohli
Habt ihr vorhin euer Ego gestreichelt, indem ihr ein neues Selfie hochgeladen habt? Oder seid ihr seit Stunden auf einer App am Doomscrollen? Die Noise-Keule, welche Asbest aus Basel mit ihrem neuen Album auspacken, treibt euch solche Flausen innert Sekunden aus dem Kopf. Die Gruppe ist mit neun Tracks voller lärmenden Sounds zurückgekehrt, um der digitalen Verklärung und dem Schönreden der heutigen Gesellschaft Einhalt zu bieten.
«There is no multitude of I, Yet it is the law that we abide»
Asbest - Hubris
Die Wut ist nicht kleiner geworden
Seit der Gründung 2016 stehen Anouk Robyn Trachsel, Judith Breitlinger und Jonas Häne dafür ein, dass die scheinheilige Selbstdarstellung der Schweiz der Realität nähergebracht wird. Mit den ersten Singles «Interstates» und «Projection» war damals gleich klar, diese unangenehm sägende Noise-Rock-Band ist laut, direkt und wütend. Das hat sich in den vergangenen Jahren nicht geändert und der erste Langspieler «Driven» von 2018 zeigte erbarmungslos das Können des Trios.
«They Kill» hiess es damals, als Aufschrei gegen Repressionen und alltäglichen Missbrauch – durch das System, durch Einzelpersonen und Gedanken. Die zweite Platte «Cyanide» ist nicht weniger stürmisch, die Wut von Asbest ist nicht kleiner geworden. Wieso sollte sie auch, hat sich weniges auf unserem Planeten zum Guten verändert, besonders in den Bereichen Gender, Gleichberechtigung und Konsum.
Ein dunkles Vergnügen
Passenderweise beginnt die Platte mit krumm klingenden Gitarren, einem düster brummenden Bass und dem trockenen Schlagzeugspiel. Fünf Minuten voller Kritik, enerviertem Gesang und lärmenden Rückkopplungen: «Autodigestion» zeigt unseren langsamen Zerfall im kapitalistischen Konstrukt. Diese missmutige Stimmung zieht sich bis zum letzten Takt durch – ein Vergnügen so dunkel, wie die grafische Gestaltung der Platte.
«We are trapped in the body of a snake, that is eating its own tail»
Revolutionsgedanken und Auflehnung
Asbest spielen ihre Musik langsam und eindringlich, längere Stücke wie «Declaration of Defenselessness» bringen unsere Sorgen und Ängste brodelnd an die Oberfläche. Die unverkennbare Mischung aus Noise, Post-Punk und dreckigem Rock wirkt aufreibend, die Produktion ist nie zu aufgeräumt. Durch die zwei Zwischenspiele ohne Gesang wird die Welt ins Album gelassen, Klänge und Samples schrammen darin über den Boden.
Ob wir aus der Misere einen Ausweg finden, bleibt fraglich, viel Hoffnung gibt es bei Asbest nicht zu vernehmen. Das abschliessende und längste Lied «Cyanide for Breakfast» hält uns im Text den Spiegel vor, die gesamte Platte dient als Projektionsfläche für eigene Revolutionsgedanken und Auflehnung.
«We don’t lead the lives we need, We lead the lives we must»
Asbest -Cyanide For Breakfast
nicht in wenigen Minuten erledigt
Zu dritt schreiten Asbest voran, mit wichtigen Inhalten, plakativen Sätzen und instrumentaler Gegenwehr. Das alles ist auf «Cyanide» nicht in den ersten Minuten zu erfassen, sondern muss in seiner brutalen Gestalt erarbeitet werden. Wenn dies geschehen ist, krallt sich das Album für eine lange Zeit im Innern fest und sorgt für den nötigen Antrieb.
ASBEST - Cyanide
Das Album erscheint am 19. Mai 2023 auf A Tree in a Field Records und kann im Shop bestellt werden. Unterstützt wurde die Platte durch den Regio Sound Credit 2022
Asbest
Beiträge
3 500 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2023 (mit dem Projekt ALTARI)
8 000 CHF | RegioSoundCredit Tournee, Musikvideo | 2022
10 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2022
3 000 CHF | Resonate | 2019
7 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger, Tournee | 2018
2 000 CHF | RFV-DemoClinic Analog Musikvideo | 2018
Über Michael Bohli
Michael Bohli lebt in Zofingen und ist gelernter Zeichner Bereich Architektur. Die Liebe zur Musik wurde ihm in die Wiege gelegt, bis heute lodert das Feuer. Über seine Leidenschaft zur Kultur schreibt er seit längerer Zeit, etwa von 2015 bis 2022 für das Musikmagazin ARTNOIR und seit 2023 mit seinem eigenen Kulturmagazin Phosphor.
Zentral ist die Suche nach interessanten, ungewohnten Klängen, fesselnden Personen und Horizonterweiterungen.