QZB - Future Forever: wenn der Dancefloor brennt

Reviews
QZB © Samuel Bramley, 2023
QZB © Samuel Bramley, 2023

Über zehn Jahre lang hat das Schweiz-Deutsche Duo QZB ihre Sounds und Beats perfektioniert und ihre Musik auf ein hoch technisiertes Niveau gehievt. Nach etlichen Singles und EPs ist nun ihr Debütalbum «Future Forever» am Start. Auf dreizehn meist messerscharfen Songs demonstrieren die beiden Drum’n’Bass Produzenten, dass sie zu den besten ihrer Gilde gehören. Wie schon ihre letzten Releases, erscheint die Platte auf dem britischen Label Critical Music.

Album Review

In einer Albumkritik geht es eigentlich nicht um die Autorinnen eines Textes, aber in diesem Fall muss ich trotzdem kurz erwähnen, dass das Verfassen dieses Artikels eine ziemliche Herausforderung für mich war. Denn bei dieser Platte handelt es sich um eine reine Drum'n'Bass-Platte. Das Genre, mit dem ich aufgewachsen bin und das mich vor mehr als 25 Jahren dazu gebracht hat, mit dem Auflegen von Platten zu beginnen und mich für elektronische Musik zu interessieren. Auch wenn ich musikalisch teilweise weitergezogen bin, schlägt mein Herz immer noch sehr stark für diese Musik. Es war aus diesem Grund nicht ganz einfach, eine gewisse Voreingenommenheit zu unterdrücken und möglichst objektiv in die Platte hineinzuhören. Ich hoffe, es ist mir dennoch gelungen.

ein musikalischer «Match»

Die Platte heißt «Future Forever». Produziert wurde sie von den beiden Drum'n'Bass-Produzenten QBIG und Zenith B, die sich nun seit mehr als 10 Jahren das Studio teilen. Seit ein paar Jahren sind sie als Duo QZB unterwegs und haben nun unter diesem Namen ihr Debütalbum auf dem britischen Label Critical Music veröffentlicht. Heute sind sie dicke Freunde, aber von Anfang an stand die Musik, das Platten auflegen und das Produzieren im Vordergrund. Sie haben sich kennengelernt, weil beide in der gleichen Venue gespielt haben und sie beide vom Plattenkoffer des anderen sehr angetan waren. Es war offensichtlich eine musikalischer «Match». In der Zeit seit dem Kennenlernen und heute haben sie etliche Singles und EPs veröffentlicht und dabei kontinuierlich ihre Produzentenfähigkeiten trainiert und ihre Produktionstechniken perfektioniert.
Auf ihrer ersten LP «Future Forever» lassen sie ihre Muskeln spielen, und die sind tatsächlich sehr beeindruckend. Auf dreizehn Tracks liefern sie ein energiegeladenes Drum'n'Bass-Ravespektakel.

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Track by Track

Eröffnet wird "Future Forever" mit dem Titeltrack. Hier wird schon schnell klar, dass alles auf die große Festivalbühne bzw. den Big-Floor-Rave ausgerichtet ist. Dunkle Synthie-Flächen bauen sich bedrohlich auf und verbreiten eine geheimnisvolle Stimmung. In Kombination mit den passenden Visuals entsteht hier bestimmt schon der erste Gänsehaut-Moment, bevor der erste Bassdrop überhaupt gefallen ist. Der folgt dann prompt bei Minute 1:30. Noch nicht brachial und eher zurückhaltend, aber der rhythmische Rahmen für die nächsten 45 Minuten ist klar: Es ist Drum'n'Bass-Zeit!

Danach folgt eine der Vorabsingles mit dem Titel «Riot Gear Romance». Ob die beiden Jungs auf Polizisten in Schutzausrüstung stehen, weiß ich nicht, aber spätestens bei diesem zweiten Track auf der Platte könnte man denken, dass es noch ganz sinnvoll wäre, eine solche selbst zu tragen, bei einem Liveset von QZB. Etwas über vier Minuten lang peitschen schnelle und messerscharfe Snares und Hi-Hats durch meine Airpods und nehmen starken Einfluss auf meine Motorik. Ich sitze da mit einem Stankface und schiebe meinen Kopf langsam zwischen meinen beiden Schultern hin und her. Ganz viele Bonuspunkte gibt es hier von mir, weil die Bassdrum in der Mitte des Tracks in eine geradlinige Techno-Bassdrum wechselt. Es ist wohl eine Anspielung auf den Hype ultraschneller Technotracks, die momentan in den sozialen Medien kursieren. Der Track bleibt dennoch sehr eigenständig und authentisch. Es ist leider die erste und letzte Exkursion in eine musikalische Sandbox.

Dementsprechend kehren QZB im Song «Overdrive» sofort wieder zurück in das altbekannte Drum'n'Bass-Format. Dieses Mal einfach sehr viel flüssiger und smoother. Die sehr feminine Stimme von Charli Brix steuert den nötigen Rest bei, damit der Song im Plattenladen mit gutem Gewissen unter der Rubrik "Liquid Drum'n'Bass" eingeordnet werden kann.

Bei Track vier frage ich mich zum ersten Mal, wie passend der Albumtitel wirklich ist. «Shadowban» ist wieder ein sehr traditioneller Drum'n'Bass-Peaktimer. Und weil der jetzt nicht mehr smooth ist, sondern ein richtiger Gassenhauer, hat man sich – wie seit der Entstehung von Jungle und D'n'B – dafür entschieden, einen männlichen MC mit böser und sehr viriler Stimme in die Produktion aufzunehmen. Das klingt geil und funktioniert. Aber könnte man da nicht auch mal das Muster durchbrechen? Das haben mittlerweile ja sogar die Waschmittelhersteller geschnallt.

Danach folgt «Trench». Eine kleine Demonstration, dass nur ganz wenige Produzenten das Modulieren von Sounds so im Griff haben wie Zenith B und QBIG. Kein großer Aufbau, kein komplexes Arrangement, alles sehr subtil, aber wunderschön gemacht. Vielen wird dieser Track wahrscheinlich nicht wirklich auffallen. Ich liebe ihn! Danach wieder ein liquides Stück namens «Dangerously High». Die Vocals kommen dieses Mal von einer gewissen Marea. Weiter geht es mit einem der Highlights, «Nausea». Hier machen QZB das, was sie am besten können: Dramatische, kristallklare und vor allem super technoide Dancefloor-Waffen. Die letztere Bezeichnung mag ich aufgrund aktueller Geschehnisse eigentlich nicht so, aber ich bekomme den Eindruck nicht los, dass ihre Musik schon irgendwie etwas Kriegerisches hat. Sie wäre auch ein guter Soundtrack für eine Appleseed Manga Verfilmung.
Als der Player nach diesem Kracher auf den achten Track «Kodaira» wechselte, habe ich fast schon vor Freude gejauchzt. Und auch ein bisschen aus Erleichterung. Endlich wird hier der Mut aufgebracht, sich vom klassischen D'n'B-Rhythmus zu lösen! Die Nummer acht ist ein sphärisches Breakbeat-Stück, bei dem ich Lust bekomme, durch den Club zu schwofen. Es ist einer meiner Lieblingstracks auf der Platte.

Weiter geht's mit «Mirage». Drum 'n' Bass mit düsterem männlichem Rap. Mehr gibt's dazu von mir aus nicht zu sagen. Auch der nächste Track ist nichts Neues. Scharf gewetzte Klingen produziert in bester Metalheadz-Manier. Der Track überrascht mich zwar nicht, aber ich gebe zu in meiner "Bubenfantasie" werden beim Hören von «Combat Drugs» gleich zwei rotierende Gatling-Kanonen aus meinem imaginären Exoskelett ausgefahren. Im Kopf schiebe ich gerade voll den Krieg der Maschinen. Wie gesagt, alles ziemlich martialisch halt. Auch ohne auf Kampfdroge zu sein.
Vergleichbare Vibes dann auch bei «Point Precision».

Jetzt sind wir beim zweitletzten Song mit dem Titel «Harlem», und man gibt mir zu spüren, dass ich langsam das Kopfkino herunterfahren sollte. Der Song entschleunigt alles etwas und ist im Vergleich zu den letzten Nummern auch wenig spektakulär. Was völlig okay ist. Für den Abspann wird im letzten Track «Watch It Burn» wieder mit Charli Brix die Pace hochgedreht. Der Track fast nochmals alles auf der Platte zusammen.

Fazit

Der letzte Titel auf der Platte bringt es eigentlich auf den Punkt. QZB kommen, hacken kurzerhand alles kurz und klein, und zurück bleibt ein Dancefloor, welchem man ansieht, dass er so richtig gebrannt hat. QBIG und Zenith B demonstrieren, dass sie absolute Meister ihres Fachs sind und sogar ihre englischen Berufskolleginnen das Wasser abgraben, was messerscharfe und präzise Sounds betrifft. Die europaweite Anerkennung und Fanbase dürfte mit dieser Platte nochmals markant gesteigert werden.

Nichtsdestotrotz wird dieser hochtechnisierte Sound einigen langjährigen D'n'B-Fans bekannt vorkommen oder wie bei mir sogar nostalgische Gefühle auslösen. Denn im Grunde ist «Future Forever» eine Neuinterpretation des Sounds, den Künstlerinnen des englischen Labels Metalheadz wie Doc Scott oder Chemistry and Storm schon vor etwas mehr als fünfundzwanzig Jahren skizziert haben. An dieser Stelle muss man aber sagen, dass diese Art von Sounddesign damals sehr seiner Zeit voraus war und es erstaunlicherweise auch heute noch ist.
Tja, was soll ich sagen? FUTURE FOREVER

QZB - Future Forever, 2023
QZB - Future Forever, 2023

QZB - Future Forever
Das Album ist am 6. Oktober 2023 bei Critical Music erschienen. Bestellbar HIER und hörbar auf allen bekannten Plattformen. Unterstützt wurde die Platte durch den RegioSoundCredit 2023/2.

LP Verlosung
Das Musikbüro verlost 1 Exemplar der Doppel-Vinyl.
Teilnehmen: E-Mail ans Musikbüro senden. Es wird keine Korrespondenz geführt.

QZB

QZB © 2020
QZB © 2020
04/07/2023

Beiträge
5 000 CHF | RegioSoundCredit Musikvideo | 2023
6 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2020

über John Bürgin

Der gebürtige Basler ist seit Anfang an beim jungen SRF-Radiosender Virus in der Musikredaktion mit dabei und ist seit einigen Jahren Teil der SRF Fachredaktion Musik und der Sounds! Redaktion bei SRF3. Dort ist er der Gatekeeper für alles Elektronische und produziert das Format «sounds!mixtape». Daneben steht er auch selbst regelmässig hinter den DJ Decks.