Karl Kave & Durian - Wiener Linien: Vienna Calling!
Die Neue Deutsche Welle is alive! Und Karl Kave & Durian sind das beste Beispiel dafür. Auf dem aktuellen Album «Wiener Linien» greift das Duo wieder tief in die 80er-Kiste – und motiviert sehr zum philosophischen Fachsimpeln.
Benedikt Lachenmeier
Die Reime sind banal, die Musik monoton. Langweilig? Nein. Eher hip – und damit natürlich gewollt. Auf dem neuen Album «Wiener Linien» zeigen Karl Kave & Durian einmal mehr, dass auch sie auf der Neuen Neuen Deutschen Welle reiten. Richtig gehört: Das Revival der Neuen Deutschen Welle nennt sich Neue Neue Deutsche Welle. Warum es wichtig ist, das zu erwähnen? Musik mit Message ist zurück. Die Texte klingen nur banal, sind es aber gar nicht. Mit viel Selbstironie sorgen die neuen Neue-Deutsche-Welle-Bands wieder für mehr Haltung in der Unterhaltung.
Karl Kave & Durian scheinen es ernst zu meinen. In nur vier Jahren heben die beiden Herren bereits das vierte Album aus der Taufe. In Funk und Fern werden sie für Ihr Können in den höchsten Tönen gelobt, und live zu Gast waren KKD bereits am Echolot Festival in Luzern oder am Fête de la Musique Berlin. Doch machten sich die beiden Musiker schon vor dem Zusammenschluss als Duo in der Musikszene einen Namen. Mit der Band Europa: Neue Leichtigkeit war Sänger und Textschreiber Andrin Uetz kurz vor Popstar. Dann löste sich die Band auf. Und der Mann an den Tasten, Carlo Rainolter, veröffentlichte bereits 17 Alben.
Die Album-Review
«Wiener Linien», «Sterben in Wien», «Böhmischer Prater» – das Thema der neuen Platte lautet? Genau: Wien! Die Metropole an der Donau hat die beiden tief beeindruckt, ja ziemlich bewegt. Die Songtexte knüpfen an persönliche Erfahrungen des Ankommens in Österreichs Hauptstadt an. Es geht um das Spannungsfeld zwischen Privilegien und Einsamkeit, zwischen Hoffnung und Resignation. Im Pressetext heisst es: «KKD bleiben den Prinzipien einer gewissen Mehrdeutigkeit und der Lust an Widersprüchlichkeiten treu, scheuen sich aber auch nicht davor, sich Zweifel und Existenzängste einzugestehen. So gelingt eine Balance zwischen Sanftmut und Biss, zwischen Punchline und Poesie.»
Was das bedeutet? Hören wir mal in ein paar Songs rein:
Wiener Linien
Zum Start ein sanfter Sound zu einem holperigen Beat – schon sind wir back in the 80s. Und dann:
«Wiener Linien, Sand und Pinien»
singt Andrin Uetz. Da wirkt man im ersten Moment etwas verloren, bis es dann auf die Reise entlang des Donaukanals geht und man sich einfach treiben lassen kann. In den oben genannten Refrain lässt sich viel interpretieren. Ich versuche es mal so: Wien und die Donau gefallen, am Meer unter ein paar Bäumen wäre es auch schön.
Obers nicht Rahm
In der Schweiz sagt man Rahm, in Wien Obers. Das erzählen Karl Kave & Durian in diesem Song. Klingt banal, ist es aber nicht. Die Kunst ist eher, die nuancenmässigen Unterschiede zwischen zwei Nachbarländern auf eine einfache Art auszudrücken. Haltung statt Unterhaltung eben. Allerdings könnten einem die vielen Wiederholungen in Kombination mit dem monotonen Sound eventuell mit der Zeit auf den Geist gehen. Und der Sechzehntelbeat wirkt da auch nicht hilfreich dagegen.
Böhmischer Prater
Auf einem fröhlichen Arpeggio-Sound gepaart mit einer Kirchenorgel geht es nun in den Freizeitpark, dem böhmischen Prater. «Let’s have some fun», ist hier angesagt. Doch auch hier schwingt etwas Melancholie mit. Es geht um vergangene Zeiten und den Tod. Und schon nach zwei Minuten dreissig ist Schluss mit Fun.
Sterben in Wien
Wer sein Leben gelebt hat, der zieht nach Wien. Um zu sterben. Denn auch das geht hier offenbar ganz gut, fasst man den Song thematisch zusammen. So ist «Sterben in Wien» ausgerechnet die Nummer auf der Platte, die am leichtesten daherkommt.
«Wir sterben in Wien, die neue Leichtigkeit des Seins»
wird dann zigmal wiederholt. Wien, wir kommen! Also noch nicht jetzt, aber vielleicht irgendwann.
Das Fazit
Inhaltlich ist das Album interessant und lässt viel Spielraum für Interpretationen. Wie wäre es mit einem gemeinsamen sophisticated Musikabend unter Freund*innen? Und nach der intensiven Diskussion heisst es Zurücklehnen und in die 80er-Jahre abtauchen.
Karl Kave & Durian - Wiener Linien
Das Album ist am 1.11.24 bei Young & Cold Records erschienen. Zu kaufen gibt es die Platte auf Bandcamp. Unterstützt wurde das Album durch den RegioSoundCredit 2024/1.
About Benedikt Lachenmeier
Benedikt Lachenmeier hat schon mit Bonnie Tyler Kaffee getrunken oder mit Thomas D. philosophiert. Zum Sound der Basler Musikszene gibt er ebenfalls gerne seinen Senf. Aber immer mit dem nötigen Respekt. Schliesslich ist der Journalist und Werbetexter selbst Musiker. Als Sänger und Gitarrist des Popduos Lexs zelebriert er die eingängigen Melodien. Als Inhaber und Gründer der Textagentur Textair lautet die Mission: kurze, knackige Texte, 100% Floskel-frei.