Video of the week: «Impressions» von Numa
Regie: Jaymotion Photography & Numa, Produktion: Jaymotion Photography.
Doktor Fisch
Manche haben ihr musikalisches Going Public genau in den Anfang der Corona-Pandemie gelegt, März 2020. Wissen konnte das damals natürlich noch niemand, von wegen Anfang. Es sah ja nicht nach einer fast eineinhalbjährigen Zwangspause für die Rock-, Pop-, HipHop- oder Dance-Music aus. Manch neuer Release ist seit jenem vermaledeiten Frühfrühling vor einem Jahr erschienen und leider komplett untergegangen: Weil anderes im Fokus stand als neue Musik, und weil für viele Bands, Musiker*innen, Labels und Agenturen weder Live-Präsentationen noch andere Promoaktiviäten möglich waren. Vieles ging unter und tauchte nie mehr auf.
Nicht so «Always You» von Numa.
Er fand mit seinem ersten Track seine neue Fanbase sogar ennet dem Atlantik. Der leichtfüssige Deep-House-Track, den der damals 19-jährige Basler via Spotify auf die Reise geschickt hatte, erreichte schnell, ohne grosse Promo oder massives Airplay, 10 000 Plays. «Ich erinnere mich gut, dass ich vor einem Jahr total glücklich war, bereits 10 000 Leute erreicht zu haben», sagt Numa aka Manuel heute.
Mittlerweile steht der Kontostand des Tracks bei knapp 286 000 Plays, wobei in Mexiko, Kolumbien und Chile die meisten Fans ihre Kopfhörer einstöpseln (6 500 monatliche Hörer*innen auf Spotify). In der Schweiz oder im Raum Basel kennen ihn die wenigsten Hörer*innen von elektronischer Musik. Das sollte sich dann nach Corona mal ändern.
Vorbei an der Rock'n'Roll-Wall-of-Fame des L'Unique
Aber nicht um «Always You» geht es hier, sondern um das Musikvideo zum Track «Impressions» vom gleichnamigen Debütalbum. Numas Erstling ist digital im April 2021 erschienen, als es in der Nacht Minusgrade hagelte und am Tag dicke Wolken und eine kalte Bise übers Land pfiffen und Regentropfen stichelten.
Mit einer leichthändigen Piano- und Percussion-Figur dagegen klopft Numas Track an die verregnete Fensterscheibe, bevor uns die Vocals von Tanja Alison abholen und gemeinsam mit der jungen Ballettänzerin Giovanna Doria an der Rock'n'Roll-Wall-of-Fame der L'Unique Bar in Basels Gerbergässlein vorbei zum Tresor in der Mitte mitnehmen.
Richard Wherlock meint: «Super duper!»
Der Raum mit seinen kunstvollen Bodenkacheln und seinen protzigen, metalligen Bankschliessfächern ist für Videodrehs und andere Aktionen sehr beliebt und damit vielleicht schon etwas out. Doch die fliessenden und hochästhetischen Moves dieser ganz in weiss gekleideten Tänzerin machen das schnell vergessen.
Wie Giovanna Doria dem Luxus-Mief des diskreten Horts des alten Basler Gelds ihre jugendliche Unbekümmertheit um die Ohren tanzt, hat auch dem Ballettdirektor des Theater Basel, Richard Wherlock, ausserordentlich gut gefallen: «Super duper keep up the great work», postete der Ballettchef und Choreograph seiner Schülerin in den Instagram-Kanal.
Wir sagen: «Totally agree.»
Dabei hat der RFV Basel mit Ballett ja nichts am Hut oder an der Hose oder in den Schuhen (was aber nicht heisst, dass nicht immer wieder aktueller Pop und sogar Metal eine kurzfristige Arbeitsgemeinschaft mit Modern Contemporary Dance für Videoclips eingeht, etwa hier oder hier oder hier.
Allerdings ist ein muffiger, schwerer Banktresor tief unter der Erde, in dem eine junge Tänzerin eingesperrt ist, so ziemlich die beste Metapher für die Auswirkungen dieser elenden Pandemie auf den sonst so agilen Dancefloor. Und auf die junge Generation.
(Noch) nicht Teil der Basler Clubszene
Zurück zum Urheber der Musik. Live oder als DJ hat Numa bisher nur selten gespielt, einmal davon in diesem Frühjahr 2021 in Mexiko, ansonsten nur an privaten Partys von Freund*innen oder Bekannten (falls es Corona zuliess). Numas Club-Nichterfahrungen hat natürlich mit der Pandemie zu tun, aber auch damit, dass er mit der Basler Clubszene bisher «noch nicht soviel zu tun hatte», wie Manuel aka Numa selber sagt.
Ab März 2020 bis heute, also 15 Monate lang, war die Clubszene wegen Corona ja sowieso fast komplett inexistent. Und eigentlich hatte Numa die fünf Jahre zuvor auch nur für sich selbst, mittels Software auf dem MacBook produziert und gar nicht an öffentliche Releases gedacht. Bis ein Freund ihn dazu motiviert und darin unterstützt hat. Zum Glück, finden wir. Dabei machen Numa nicht einfach die hohen Play-Zahlen bei Spotify zufrieden. «Am meisten macht es mich glücklich, wenn ich sehe, wie die Menschen auf meine Musik reagieren», sagt der heute 20-Jährige Basler Musiker und Producer. Es hätten ihm auch schon Menschen geschrieben, dass seine Musik sie durch sehr schwierige Phasen des Lebens begleitet habe.« Das berührt mich sehr.»
Von der Blockflöte übers Schlagzeug zu den elektronischen Beats
Numas Musik hat ein feines Gespür für Gefühle und deren Schwingungen. Die Piano-Melodie im Intro von «Impressions» etwa ist von einer uralten CD aus dem Klavierunterricht der Mutter von Numa inspiriert, sagt er. Mutters Klavierlehrerin, so Numa, sei gleichzeitig seine Blockflötenlehrerin gewesen und mittlerweile über 100 Jahre alt. Von der Blockflöte ging Numas Interesse dann aber rasch auf das Schlagzeug über, das er etwa zehn Jahre gespielt hat. Dort, wie er sagt, habe er viel für sein Rhythmusgefühl und den Aufbau von (elektronischer) Musik gelernt. Und umgesetzt.
Schwerelos in den weiten Sommer
Neben seiner Kollegin Tanja Alison (vocals), Tänzerin Giovanna Doria und seiner eigenen Wenigkeit ist auch Numas Kollege Julian aka Jaymotion Photography Teil des «Impressions»-Projekts, das wir hier mit etwas Verspätung zum Video of the week gewählt haben, weil uns diese Musik und diese ästhetisch-frischen Dance Moves gedanklich aus dem kargen, klammen Frühling (der später im Videoclip noch auftaucht) in den schwerelosen, weiten Sommer begleiten können – wenn wir denn wollen.
Übrigens ist von Numa nach «Impressions» im April vor wenigen Tagen bereits ein neuer, eher Afro/Latin-orientierter Track namens «Mona Lisa» mit dem zimbabwischen Musiker Amvis erschienen. Ebenso leichtfüssig wie «Impressions», aber noch unbeschwerter und noch motivierender für allfällige Körperbewegungen.
Schliesslich könnte nach dem privaten sogar der öffentliche Dancefloor nach der langen Zeit der Corona-Fussfesseln im Juli und August schon wieder einen Spaltbreit offen sein. Das Tension Festival in Basel Ende Juli / Anfang August jedenfalls hat die diesjährige Ausgabe bestätigt.
Jetzt aber endlich Vorhang auf für das Musikvideo «Impressions». Viel Spass!