Meister Lampe – Orb II: Die Reise geht weiter

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Meister Lampe – Orb II (Cover)
Meister Lampe – Orb II (Cover)

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, seit der Basler Produzent und Beat-Künstler Meister Lampe erstmals mit einer Solo-Platte die lokale und nationale Beatmaker-Szene mit internationalen Sounds aufgemischt hat. Unser Mann für die Beats, Noé Herrmann, hat bei Orb II eingecheckt und meint: «Du musst das unbedingt aktiv hören!». Am 7. Juni ist Doppel-Plattentaufe mit Funky Notes.

Album Review / RegioSoundCredit

Orb hiess sein Erstlingswerk, das mit erlesenen Samples exotischer Musikstile auf einem stabilen Fundament fetter HipHop-Beats seine Hörer*innen auf eine musikalische Weltreise mitnahm. Und diese Reise geht jetzt weiter.

Orb II ist am 5. Mai 2019 auf Vinyl und digital erschienen und ist die konzeptionelle Weiterführung einer so einfachen wie verführerischen Idee. Viele Musikstile nicht-europäischer oder nicht-nordamerikanischer Herkunft, oft im eher undifferenzierten Begriff «World Music» zusammengefasst, werden wegen ihrer Andersartigkeit und dem oft fehlenden Zugang seitens der Hörenden in unseren Breitengraden eher wenig gehört.

Starkes Konzept mit neuen Klangwelten
Mischt man jedoch gekonnt Elemente davon mit einem populären Stil wie HipHop, entsteht für viele eine neuer Zugang. Aus einer uns vertrauten Komfort-Zone heraus erleben wir neue, uns fremdartige Klangwelten und Abenteuer. Ein Kopfkino-Ritt einmal um die Welt, bequem von der HipHop-Couch aus. (Am besten mit Joint oder anderen Chill-Helpers).

Klar, die Idee ist nicht ganz neu – Fusion und Crossover gibt es schon lange. Oder eben World Music. Die Idee ist selbst im engeren Rahmen nicht ganz neu, denn auch in der Welt der «sample-based Instrumentals» wird oft mit Sound-Schnippseln aus aller Welt gearbeitet. Aber eine so weitsichtige, neugierige und zugleich respektvolle Ausführung zweier Beat-Alben, die sich besonders durch ein einfaches und starkes Konzept (das sich von Albumtitel über die Cover-Artworks bis hin zum Inhalt durchzieht) auszeichnet, habe ich nun wirklich selten gehört.

Meister Lampe © 2019
Meister Lampe © 2019

Beats unter sich: Stationen des Meisters

Der Basler Simon Selinger, der zurecht den Titel «Meister» in seinem Künstlernamen trägt, ist schon seit einigen Jahren im Beatmaking unterwegs. Mit HipHop in Berührung kam er durch Sessions bei Neumond Aufnahmen und der Basler Rap-Crew Stressköpf, wie er im BSounds-Interview vom 6. Mai auf Radio X erzählt. Seither hat er schon mit lokalen Artists wie La Nefera und Arbajo Jairus gearbeitet, mit dem Label Oro Negro und natürlich mit seinem BFF Funky Notes, mit dem er 2017 die sensationelle Luv Compilation released hat. Dazu kommen Collabos mit namhaften deutschen Artists wie Veedel Kaztro, Johnny Rakete und Edgar Wasser.

Auf seinem langen Weg hat er sowohl die Kunst der Drüberrap-Beats erlernt – also solche, die als Basis für Rap dienen – als auch die der Instrumental-Beats. Lange Zeit waren Beats im HipHop-Kontext in erster Linie die Grundlage, auf der gerappt werden konnte. Da solche Beats nicht nur fett und groovy sein, sondern auch Raum für eine Stimme freilassen müssen, sind sie meist relativ minimalistisch und repetitiv aufgebaut.

Diese Ästhetik der einfachen Beats, der Samples und der Repetition wurde mit der Zeit und dank Beatmakers wie J. Dilla (RIP), Apollo Brown, Nujabes (RIP)oder Madlib weiterentwickelt und zu einem eigenen Thing erklärt: Instrumental Beats.

Anders als bei Drüberrap-Beats sind Instrumentals meist ein wenig komplexer arrangiert, sind melodischer, voller, und beinhalten oft Samples, die für das Drüberrappen ungeeignet wären, wie z.B. Stimmen. Beatmakers haben durch das Wegfallen von Sprechgesang also viele Vorteile und neue Freiheiten, aber auch viele neue Herausforderungen. Mit dem*der Rapper*in fällt nämlich auch das Gesicht weg, die Message, die Geschichte.

Every single thing is a remix

Meister Lampe hat mit seiner Orb-Reihe aber genug Geschichten auf Lager. Zwar nicht in Form gesprochener Worte, aber irgendwo zwischen den Zeilen bzw. Hits. Ähnlich wie im Konzept-Album Thaima von Samon Kawamura, das aus Musiksamples und Geräuschaufnahmen aus Thailand auf dicken Beats besteht, taucht der*die Hörende völlig in eine andere Welt ein. Die Kombination aus exotischen Klängen und dem repetitiv-hypnotischen 4/4-Kopfnick-Rhythmus lassen eine*n mit etwas Ruhe und Fantasie ganz schön in Trance geraten.

Bei Orb II begrenzt sich diese Klang-Reise aber nicht nur auf eine Region, sondern gleich auf neun. Im Opening-Track «Tud Dret» nimmt uns Meister Lampe mit auf den Inselstaat Kap Verde, wo melancholische Männergesänge auf eine dreckige Hammond-Orgel treffen. Weiter gehts mit Track 2 «Yemoya» nach Grenada in die Karibik. Tropische Gelassenheit, Offbeat, Bläserchor und richtig gute Stimmung. Wieder etwas enster wird es auf Track 3 «Dantokpa» mit Gesangs-, Bläser-, Orgel- und Saiten-Samples aus dem westafrikanischen Benin.

Einer der besten Tracks auf dem Album Orb II ist meiner Meinung nach Nr. 4 «Goddess Rati»,benannt nach der hinduistischen Göttin der Wollust und ausufernden Sexualität. Eine sehr hohe indische Frauenstimme, wie wir sie von Bollywood-Soundtracks kennen, trifft auf heavy Perkussion, Geigen und Bläser, untermauert von einem richtig, richtig fetten Beat.

Im fünften Track «Magoado», was übersetzt «verletzt» heisst, sind wir in Brasilien. Trauriger Männergesang auf harten Chor-artigen Samplecuts. Anschliessend befinden wir uns plötzlich im Libanon, Track 6 namens «Nuralain», wo charakteristische Geigenorchester und Saitenstrumente, mit midi-Klängen gespickt, eine gepitchte Gesangsstimme begleiten.

Aiguèze © 2018
Aiguèze © 2018

Das letzte Drittel des Albums beginnt mit dem wohl am wenigsten exotisch klingendenden Track «Aiguèze», das nach einer Gemeinde in Südwest-Frankreich benannt ist (siehe Bild). Laid-back HipHop, fast wie früher.

Mit Track Nr. 8 nimmt uns Meister Lampe mit in den Iran, mit Gesängen, Bläserorchester und einer Flöte in die «Gardens Of Isfahan». Beenden tun wir unsere Reise schliesslich in Indonesien mit dem regnerischen Track «Angin Kencang», der zum Schluss das ganze Album nochmals mit einer guten Prise Melancholie abrundet.

Orb II also. Ein Instrumental-Album, das Du unbedingt mal aktiv hören musst, anstatt – wie das bei solchen Alben leider allzu oft so ist – nur im Hintergrund. Ein Album, das Du am besten auch gleich mit dem anderen Album Orb hörst, das Konzept verhebet nämlich!

Ein Album, das ein ganz grossartiges Cover-Artwork von Taj Francis hat. Ein Album, das Du auf Vinyl und ganz laut hören sollst. Und ein Album, das eine ganz fette Plattentaufe verdient hat. Und die gibts am 7. Juni 2019 im OFF, Basels dirtiest Underground-Venue, zusammen mit Funky Notes, der dort ebenfalls sein neues Album Second Home (siehe auch hier) tauft, dem Basler Beatmaker Francois Boulanger und Oriental Tunes von DJ Shatafa. Ich werde auf jeden Fall dort sein.

Meister Lampe – Orb II (Cover)
Meister Lampe – Orb II (Cover)

Meister Lampe – Orb II

(Okwow Records) ist am 5. Mai 2019 als LP und digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit des RFV Basel erschienen. Erhältlich über diesen Link, digital und auf Vinyl.

Doppel-Plattentaufe
07.06.2019  Basel, OFF Bar, Meister Lampe und Funky Notes, FB-Event

LP-Verlosung
folgt später