Asbest und Lord Kesseli & The Drums: Altari - eine aufwühlende Zusammenkunft

Reviews
Altari, zVg. 2023
Altari, zVg. 2023

Das Virus war schuld! «Altari» ist die erste Zusammenarbeit von Asbest aus Basel und Lord Kesseli & The Drums aus St. Gallen. Eine Zusammenkunft von vier Musiker*innen, die sich auf klanglich unterschiedliche Weise mit Gesellschaftskritik beschäftigen. Als Quartett gelingt das fabelhaft.

Album Review

Handschläge und zufriedene Gesichter, wohin man schaut. Unvorstellbar, sobald die Musik um die Ecke kommt, aber mit «Altari» haben sich neue Kollaborationen ergeben. Zwischen den Musiker*innen Robyn Trachsel und Judith Breitinger aus Basel und Dominik Kesseli und Michael Gallusser aus St. Gallen. Eine Verbindung zwischen Nord und Ost, ein gemeinsames Unterfangen der unabhängigen Labels A Tree In A Field und Irascible Records.

Verrückt, doch funktioniert das zusammen, Asbest und Lord Kesseli & The Drums? Wer nicht den gesamten Text lesen will: Ja, das funktioniert hervorragend und die EP ist wunderbar aufrüttelnd geworden. Dass durch die pandemiebedingte Konzertpause all dies erst möglich wurde, grenzt an ein positives Wunder in der Dunkelheit. Wie gewohnt ist vom Optimismus im Sound der Gruppen aber wenig zu spüren.

Besonders Asbest aus Basel hantieren mit ihrem dreckigen Noise Rock in den Gebieten, in denen alles schmerzt. Laute Musik gegen Ungerechtigkeiten und den Wahn von heute, zuletzt als düsteres Unwetter auf der Platte «Cyanide» beschworen. Für Lord Kesseli & The Drums ist eine kritische Betrachtung der Gegenwart ebenfalls wichtig, in ihren Songs findet sich trotzdem viel Spiritualität und Mystik. Auf dem Album «Melodies Of Mortality» wurde gar in eine eventuelle Zukunft geschaut.

Unterschiedliche Stimmungsbilder also, die sich auf «Altari» in drei Songs und einem reduzierten Intro erstaunlich gut zusammenfügen. Die hypnotischen Rhythmen, welche Kesseli und Gallusser so lieben, dienen als Basis für die Wut und das Unverständnis, das Trachsel und Breitinger in sich tragen. Improvisierte Wortspielereien werden bei «Anarchitect» zum Hammer, der die Schale der Wahrnehmung aufbricht.

Das vielseitig aufgebaute «Détruisez Tout!» ist zuerst ein ruhiger Gitarrenmoment, mehrstimmig wird die Stimmung verdichtet, bis zum Doom-mässigen Schluss mit schwerem Riffing. Eine reizende Dissonanz erhält das Lied durch die schneidende Kombo aus Stimme und Flöte, ungeschoren kommt bei «Altari» niemand davon. Der Abschluss ist mit «Levitate Into The Ground» versöhnlicher geraten, hallende Saitenklänge, verträumter Gesang und verwunschene Atmosphäre – das Grande Finale mit Piano.

Vielseitigkeit in weniger als einer halben Stunde: Asbest und Lord Kesseli & The Drums haben ihre Eigenheiten und Merkmale gegenseitig verzahnt und eine treffende EP in ihrer Residenz im Palace in St. Gallen aufgenommen. Die instrumentalen Passagen wirken aufgeladen, die Gesänge rütteln am trügerischen Wohlbefinden.

Nicht vergessen sollte man die vorab veröffentlichte Single «Together In Hell», bei der die Musiker*innen mit Wave-Schmiss und Post-Punk-Rhythmus bereits bedrohlich wirkend auf sich aufmerksam gemacht haben. Trachsel keift auf Deutsch über den Konsumwahn, Dominik Kesseli sucht ätherisch nach Auswegen aus der Misere. Eine Dualität, die auf «Altari» (Altar + Atari?) überzeugt und nicht ohne Mut in die Zukunft blickt.

Altari - Together in Hell (Residenzkonzert)

Play Video

ASBEST und Lord Kesseli & The Drums - Altari
Das Album erscheint am 30. Juni 2023 digital auf A Tree in a Field Records und kann auf allen gängigen Plattformen gehört und heruntergeladen werden. Unterstützt wurde die Platte durch den Regio Sound Credit 2023.

Altari Logo
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Asbest

ASBEST © Friedrich Prieme, 2023
ASBEST © Friedrich Prieme, 2023
26/06/2023

Beiträge
3 500 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2023 (mit dem Projekt ALTARI)
8 000 CHF | RegioSoundCredit Tournee, Musikvideo | 2022
10 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2022
3 000 CHF | Resonate | 2019
7 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger, Tournee | 2018
2 000 CHF | RFV-DemoClinic Analog Musikvideo | 2018

Über Michael Bohli

Michael Bohli lebt in Zofingen und ist gelernter Zeichner im Bereich Architektur. Die Liebe zur Musik wurde ihm in die Wiege gelegt, bis heute lodert das Feuer. Über seine Leidenschaft zur Kultur schreibt er seit längerer Zeit, etwa von 2015 bis 2022 für das Musikmagazin ARTNOIR und seit 2023 mit seinem eigenen Kulturmagazin Phosphor.

Zentral ist die Suche nach interessanten, ungewohnten Klängen, fesselnden Personen und Horizonterweiterungen.